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Der Kulturinfarkt

Der Kulturinfarkt

Titel: Der Kulturinfarkt
Autoren: Stephan Pius u Opitz Armin u Knuesel Dieter u Klein Haselbach
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Wenn belegt werden könnte, dass öffentliche Ausgaben für die Kultur wirtschaftlich vorteilhaft sind, dann würde sich das Füllhorn öffentlicher Förderung weiter öffnen. Kulturmenschen bemühen sich jedenfalls bei jeder Gelegenheit, die wirtschaftlich vorteilhaften Folgen kultureller Förderung herauszustreichen. Deswegen hört man allerorten, dass Subventionen in Kultur »Investitionen« darstellen. Und dass die Kulturwirtschaft – gemeint ist die Summe aller irgendwie kulturbezogenen Arbeitsplätze – einen Wachstumssektor darstelle, der die Industrie überflügle. Kann sein. Nur liegt die Wirtschaft nicht auf der Couch. Sie verdient das Geld, das die Kultur als Antrieb benötigt.
    Das Bild von Kulturförderung als Investition wird immer wieder bemüht. Kulturstaatsminister Neumann argumentierte bei der Einbringung seines Haushalts in den Bundestag 2010: »Kulturförderung ist keine Subvention, sondern eine unverzichtbare Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft! Deshalb ist es aus gesellschaftspolitischer Sicht gesehen kontraproduktiv, mit Streichungen im Bereich der Kultur die Haushalte sanieren zu wollen.« – Einem wirtschaftswissenschaftlichen Investitionsbegriff entspricht dies nicht. Investitionen sind etwas anderes als in der ewig wiederholten Deklaration, Kulturausgaben seien Investitionen. Aus betrieblicher Sicht sind Investitionen Ausgaben, die dazu führen sollen, dass zukünftig größere Einnahmen dem Betrieb zufließen. Volkswirtschaftlich ist der Begriff nicht ganz so eng: Hier kann der Rückfluss von Geldmitteln sich auch woanders im Wirtschaftskreislauf darstellen. Allen Investitionen ist gemeinsam, dass sie sich in Geld rechnen sollen. Allen Investitionen ist gemeinsam, dass sie immer das Risiko mit sich bringen, dass die Investoren sich irren und dass nicht mehr Geld zurückfließt, als investiv eingesetzt wurde. Nur dies haben Investitionen mit Kultur gemeinsam. Wenn der Vorhang im Theater zugeht, ist das Geld für die Aufführung ausgegeben, die Zuschauer sind erbaut oder erbost und verlassen das Theater.
    Das Argument von der »Umwegrentabilität der Kultur« wurde schon vorgestellt. Es ist noch einmal systematisch zu betrachten. Auf volkswirtschaftlicher Ebene spricht einiges für diesen Ansatz. Schon 1982 hatte das Zentrum für Kulturforschung in der »Musikstatistik« 67 das Feld zwischen Kultur und Musikwirtschaft vermessen. 1988 legten Hummel und Berger eine Studie zur volkswirtschaftlichen Bedeutung von Kunst und Kultur 68 vor. Diese Studien bezeichnen den Beginn einer explizit kulturwirtschaftlichen Diskussion in Deutschland. These der Studien war, dass Kultur in der Gesamtbetrachtung, unter Einschluss der öffentlich finanzierten Bereiche, einen eigenen Beitrag zur Volkswirtschaft leiste.
    67 Zentrum für Kulturforschung: Musikstatistik, Bonn 1982.
    68 Hummel, Marlies und Berger, Manfred: Die volkswirtschaftliche Bedeutung von Kunst und Kultur, München 1988 (ifo-Studien).
    Das Argument ist recht einfach. Selbstverständlich wirkt das Wirtschaften kultureller Einrichtungen in andere Bereiche der Volkswirtschaft hinein. Mittel, die aus der öffentlichen Hand kulturellen Institutionen zugewandt werden, und Mittel, die diese Institutionen selbst einnehmen, werden in Form von Gehältern, für den Kauf von Waren und Dienstleistungen wieder ausgegeben, erzeugen also Nachfrage bei anderen Wirtschaftssubjekten. Umwegrentabilität entsteht, wenn die von Kulturinstitutionen oder Events ausgelöste volkswirtschaftliche Nachfrage einen Rückfluss an Steuern an den Staat auslöst, der größer ist als die anfangs eingesetzten öffentlichen Mittel. Oder wenn sie andere Ausgaben kompensieren, die sonst von den öffentlichen Händen getätigt werden müssten. Bewirkt Kultur so große volkswirtschaftliche Effekte, dass die aus ihren Aktivitäten erwachsenden Steuern die anfangs gezahlte Subvention refinanzieren? Wäre dies so, dann wären die ursprünglichen Ausgaben für Kultur aus der Sicht der öffentlichen Hände rentabel. Gesellschaftlich betrachtet wäre Marx’ ∆G positiv.
    Es ist nicht möglich, Umwegrentabilität für die Kultur in einem Rechengang darzustellen: Dazu sind die Abläufe in den Kultursparten zu unterschiedlich. Umwegrentabilität von Kulturförderung muss sich bei einzelnen Maßnahmen erweisen. Und hier wäre dann zu messen, wie groß diese Rentabilität tatsächlich ist. Eine weitere argumentative Falle lauert hier. Überzeugend wird ein Argument zur
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