Der Kulturinfarkt
Rentabilität – es ist ein Argument in der Logik der Gewinnerzielung, ein subventionstechnisches Perpetuum mobile – erst dann, wenn das Delta größer ist als bei anderen öffentlichen Ausgaben (etwa im Sport, der Bildung, dem Sozialbereich, der Arbeitsförderung oder im Eisenbahnbau). Die rentablere öffentliche Ausgabe ist besser als die weniger rentable. Das Bessere ist der Feind des Guten. Oder man gibt sich hier damit zufrieden, dass die Kultur wenigstens weniger kostet als gedacht, ohne mit anderen Bereichen zu vergleichen.
Ende 2010 schrieb das Bundesfinanzministerium eine Studie aus, in der das Thema der Umwegrentabilität wissenschaftlich und abschließend behandelt werden soll. Schon der Ausschreibungstext zeigt, dass zumindest dieses Haus eine gewisse Skepsis gegenüber der nicht nur in der Kultur so geliebten Vorstellung hat, öffentliche Ausgaben könnten sich in einer höheren Sphäre »rechnen«, würden sich selbst erwirtschaften. Solche Vorstellungen passen nur schlecht in die Rhetorik der Austerität, die seit den Exzessen der Wirtschaftskrise 2008/09 die Fiskalpolitik dominiert: »In verschiedenen wissenschaftlichen Studien wird behauptet, dass sich Fördermaßnahmen der öffentlichen Hand selbst finanzierten oder sogar eine Selbstfinanzierungsquote von über 100 Prozent aufweisen würden.« Die Behörde zweifelt: »Auch wenn eine gewisse Selbstfinanzierungsquote z. B. aufgrund induzierter Steuermehreinnahmen und verminderter Kosten von Arbeitslosigkeit durchaus wahrscheinlich ist, erscheinen Selbstfinanzierungsquoten von nahe 100 Prozent unrealistisch …« Gutachter sollen die Frage beantworten, ob eine vollständige Selbstfinanzierung von Förderung überhaupt theoretisch möglich sei und ob Beispiele hierfür existieren. Es wird zu beobachten sein, wie die laufende »Investition« in Kultur in dieser Studie bestehen wird.
Umwegrentabilität öffentlicher Kulturförderung nachzuweisen kann nur in Einzelfällen gelingen. So konnte vor einigen Jahren eine Studie für die Semperoper zeigen, dass sie durch ihre kulturtouristische Attraktivität für die regionale Wirtschaft einen positiven wirtschaftlichen Effekt ausübt, der größer ist als die Belastung durch die Subvention der Oper. Dresden ist stark vom Tourismus geprägt, und der Semperoper gelang es, sich als Teil des Pflichtprogramms für touristische Besucher zu profilieren. Und ein wenig wird in der Studie schöngerechnet: Bei den Berechnungen wurde unterstellt, dass der Opernbesuch jeweils Anlass touristischer Aufenthalte in Dresden sei, nicht willkommener Nebennutzen eines ohnehin stattfindenden Besuchs. Vielleicht kommen Besucher nicht primär wegen der Semperoper, sondern um über die Waldschlösschenbrücke zu flanieren. Und nicht nur: Die Frage bleibt offen, wie die Besucher ihr Geld ausgäben, wenn sie nicht nach Dresden kämen, oder wie viel Geld die Besucher von Sportanlässen in Dresden ausgäben, würde Dresden auf Sport setzen.
Wirtschaftliche Effekte wie bei der Semperoper entstehen im Kulturtourismus. Städtetourismus ist häufig Kulturtourismus. Hier ist natürlich stets zu beachten, dass die Touristen das Geld, was sie für Kultur am Urlaubsort ausgeben, woanders nicht mehr zur Verfügung haben. Inländische Touristen bewirken mit ihrem offenen Geldbeutel eine regionale Umverteilung, aber keinen größeren gesellschaftlichen Reichtum. Selbst die Besucher aus dem Ausland verringern den Reichtum zu Hause, um das europäische Gesetz der selbstkompensierenden Subvention zu bestätigen. Das Perpetuum mobile der Dresdner bedeutet gleichzeitig die finanzielle Misere anderswo.
Viele Untersuchungen zur Umwegrentabilität von Kultur beziehen den wirtschaftlichen Wert der medialen Berichterstattung ein und kommen erst damit zu einem positiven Ergebnis. Es wird dann gerechnet, wie viel Geld es gekostet hätte, als Anzeigen zu bezahlen, was in redaktionellen Beiträgen zu einem Ereignis von den Medien selbst berichtet wurde. Hier sind bei großen Festivals schnell phantastische Zahlen zu erreichen. Umwegrentabilität allerdings wäre dies erst, wenn diese Anzeigenfläche tatsächlich auch ohne das Festival öffentlich finanziert worden wäre. Zudem: Auch die besten Festivals kommen an die Medienwirkung des wöchentlichen Bundesligafußballs kaum heran – Fußballförderung wäre aus dieser Sicht für öffentliche Hände rentabler.
Für viele durchschnittliche öffentlich geförderte Kulturbetriebe in einer durchschnittlichen
Weitere Kostenlose Bücher