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Der Küss des schwarzen Falken

Der Küss des schwarzen Falken

Titel: Der Küss des schwarzen Falken
Autoren: Barbara McCauley
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Haus.
    Grace lehnte sich zurück und atmete tief durch. Ihre Gedanken kreisten um die Sloans. Sie waren eine eigenartige Familie. Offenbar gab es einen starken Zusammenhalt zwischen Mary und ihren Söhnen. Andererseits hatten sie kein Wort über den Vater verloren, den sie heute zu Grabe getragen hatten, und diesen Tag sogar als Marys Geburtstag gefeiert.
    ‘Er mag Sie ziemlich gern … Er könnte eine Frau wie Sie gebrauchen …’
    Diese Sätze von Mary kamen ihr in den Kopf. Dass es zwischen ihr und Rand knisterte, war nicht zu bestreiten. Aber die rein körperliche Anziehung hatte Mary damit sicherlich nicht gemeint. Was aber dann?
    Doch es war jetzt nicht die Zeit, das zu ergründen. Sie konnte, ohne unhöflich zu wirken, auch nicht länger hier sitzen bleiben. Es war fast neun Uhr, und sie sollte sich bald auf den Weg nach San Antonio machen. Bis dorthin war es ein ganzes Stück zu fahren. Dort musste sie noch ein Zimmer für die Nacht finden, bevor sie morgen wieder nach Dallas fliegen würde.
    Die Hoffnung auf Rand sollte sie begraben. Um die Mustangs zu retten, musste jetzt schon ein Wunder geschehen. Aber Grace gehörte zu jenen immer seltener werdenden Menschen, die noch an Wunder glauben.

3. KAPITEL
    Als Rand auf die Veranda hinaustrat, glaubte er im ersten Augenblick, Grace sei auf der Hollywoodschaukel eingeschlafen. Sie hatte die Augen geschlossen und die Hände leicht auf die Knie gelegt. Ihr Gesicht sah vollkommen entspannt aus. Obwohl er es eigentlich für richtiger hielt, sie dort allein zu lassen, blieb er wie gebannt stehen und betrachtete sie.
    Ihre rotbraunen Locken umspielten ihr Gesicht. Ihr Teint war zart und makellos. Sie hatte lange dunkle Wimpern, gerade Augenbrauen, eine fein geschnittene Nase und wundervoll geschwungene Lippen. Dieses Gesicht könnte auch einer jungen Adligen vor dreihundert Jahren gehören, dachte Rand und sah Grace vor sich, wie sie durch das Fenster ihrer Kutsche schaute und hoheitsvoll lächelnd ihren Untertanen zuwinkte.
    Es wunderte ihn, wie es ihr gelang, nach der strapaziösen Reise, erst im Flugzeug, dann im Auto durch die staubige Wüste von San Antonio, so makellos auszusehen. Keine Knitterfalte, kein Körnchen Schmutz war auf ihren weißen Sachen zu sehen. Selbst ihre Schuhe wirkten, als habe sie sie gerade gekauft. Kurz gesagt: Sie sah so unglaublich ordentlich aus. Und es juckte ihn in den Fingern, diese Ordnung ein wenig durcheinanderzubringen.
    Grace schlug die Augen auf. Sie lächelte ihn an und streckte sich. Beim Anblick dieser geschmeidigen Bewegung überkam ihn heftiges Verlangen, und er musste an sich halten, um sie nicht in die Arme zu reißen.
    “Ich wollte Ihnen ein Stück Kuchen bringen”, sagte er rau.
    “Das ist nett von Ihnen.”
    Der volle, dunkle Klang ihrer Stimme steigerte noch seine Erregung, und er ertappte sich dabei, dass er sich inständig wünschte, sie würde heute Nacht nicht abfahren.
    “Es wäre nicht nötig gewesen. Ich wollte gerade zu Ihnen hereinkommen.”
    Er hielt ihr den Teller hin.
    Das Stück, das darauf lag, war gewaltig. “Du meine Güte”, rief Grace aus. “Wer soll denn das schaffen? Ihre Mutter meint es wirklich zu gut mit mir. Ich musste schon den obersten Hosenknopf aufmachen.”
    Rands ohnehin schon erhitzte Fantasie erhielt weitere Nahrung. Er schüttelte die erotischen Gedanken ab und machte scherzhaft Anstalten, den Teller wieder wegzuziehen. “Na schön, wenn Sie nicht wollen …”
    Grace schnappte sich behände den Kuchen. “Unterstehen Sie sich! Gehört sich das, kleinen Mädchen den Schokoladenkuchen wegzunehmen?” Sie kostete und schloss dabei genießerisch die Augen. Dann fragte sie ihn: “Wollen Sie sich nicht ein wenig zu mir setzen?”
    Lieber nicht, dachte er – und setzte sich neben sie.
    “Ich finde Ihre Familie … wie soll ich mich ausdrücken …?”
    “Entsetzlich?”
    Sie schüttelte lächelnd den Kopf. “Nein. Ich finde sie großartig.”
    “Wirklich?” Er lehnte sich zurück. Es musste eine Ewigkeit her sein, dass er hier abends auf der Veranda gesessen hatte. Aber darüber machte er sich jetzt keine Gedanken, während er Grace beim Essen zuschaute. Wie magisch angezogen lag sein Blick auf ihrem Mund. Er beobachtete, wie sie die Lippen öffnete und um die Zinken der Kuchengabel schloss, wie sie sich kleine Schokoladenkrümel mit der Zungenspitze von der Unterlippe leckte. Er sah den feuchten Schimmer auf ihren Lippen. Die Wirkung auf ihn war verheerend, und er riss den
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