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Der Küss des schwarzen Falken

Der Küss des schwarzen Falken

Titel: Der Küss des schwarzen Falken
Autoren: Barbara McCauley
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Was hatte sie denn erwartet? Dass er sie zum Abschied umarmen und küssen würde? Einfach lächerlich! Sie hatten sich vor wenigen Stunden zum ersten Mal gesehen, und als sie ihm einen Job angeboten hatte, hatte er sie eiskalt abblitzen lassen.
    Plötzlich riss Grace die Augen auf. Rand war auf dem Absatz umgekehrt und kam jetzt mit großen Schritten wieder auf sie zu. Ihr stockte der Atem. Als er vor ihr stand, wollte sie ihn fragen, was los sei, kam aber nicht mehr dazu.
    “Ich muss es wissen”, murmelte er wie zu sich selbst, nahm sie in die Arme, drückte sie an sich und küsste sie.
    Sein Kuss war hart und verlangend und riss sie mit. Ihr Verstand war ausgeschaltet; ohne nachzudenken, erwiderte sie seinen Kuss.
    So wie Rand sich an sie presste, spürte sie sofort, dass er stark erregt war. Unwillkürlich öffnete sie die Lippen, und er knabberte sanft an ihrer Unterlippe. Dann drang er mit der Zunge weiter vor, und wie von selbst erwiderte sie sein sinnliches Zungenspiel.
    Einen Augenblick später war alles vorbei.
    Er ließ sie los und trat einen Schritt zurück. Ihre Knie waren so weich, dass sie an der Autotür Halt suchte.
    “Auf Wiedersehen, Miss Grace.” Seine Stimme klang rau und belegt. Rand drehte sich um, lenkte seine Schritte aber nicht zum Haus, sondern zur Scheune.
    Grace, die immer noch um Fassung rang, sah ihn in der Dunkelheit verschwinden.
    Zwei Stunden später arbeitete Rand noch immer wie besessen in der Scheune. Mit heftigen Hammerschlägen trieb er die Nägel in das Holz der Pferdeboxen, die er ausbesserte. Er glaubte, immer noch Grace’ Lippen zu spüren; den Kuss, der ein wenig nach Schokolade geschmeckt hatte. Auch der Duft ihres Parfüms war ihm noch immer gegenwärtig.
    Eine Stunde vor Mitternacht war natürlich eine idiotische Zeit, um die Pferdeboxen zu reparieren. Aber Rand musste sich abreagieren. Er war wütend auf sich selbst und kam sich vor wie der größte Idiot auf Erden. Wie hatte er sich nur derart hinreißen lassen können? Mochte diese Frau noch so aufregend sein – sie war ebenso schnell wieder verschwunden, wie sie aufgetaucht war. Dennoch dachte er unaufhörlich an den Kuss. Einen Kuss, den er sich hätte sparen sollen, der alles noch viel schwieriger machte, als es ohnehin war. Da konnte er nur froh sein, dass seine Brüder sich nicht blicken ließen und ihn fragten, was er hier veranstaltete.
    “Was zum Teufel treibst du hier mitten in der Nacht?”, hörte er die Stimme seiner Mutter hinter sich.
    Mary hatte einen Morgenmantel übergeworfen, unter dem die Hosenbeine ihres Pyjamas herausschauten. In ihrer Hand hielt sie eine Flasche Whiskey und zwei Gläser.
    Rand richtete sich auf und zuckte die Achseln. “Das muss fertig werden. Und ich hab noch keine Lust, ins Bett zu gehen.”
    Sie stellte die Flasche und die Gläser auf den Sägebock und schenkte ihnen zwei drei Finger hohe Drinks ein. “War ein langer Tag heute”, sagte sie.
    Er legte den Hammer aus der Hand und nahm das Glas, das sie ihm reichte. Sie stießen an und tranken.
    “Bist du eigentlich böse auf mich?”, fragte Mary unvermittelt.
    “Wie kommst du denn darauf?”, gab Rand verblüfft zurück.
    Mary blickte in ihr Glas. “Könnte doch sein. Edward Sloan hat sich dir gegenüber immer sehr mies benommen. Was hat er dich gequält! Nie hat er dich in Ruhe gelassen, nichts konntest du ihm recht machen. Und ich habe es nicht verhindert.”
    “Wie auch? Du konntest ihn nicht stoppen. Niemand konnte das.”
    “Wenn es nur um uns beide gegangen wäre, um dich und mich, Rand, dann hätte ich ihn verlassen. Aber nachdem Sam und Matt gekommen waren, war mir das unmöglich.”
    Die ganzen Jahre hindurch hatten sie nie so offen miteinander gesprochen. Edwards tyrannisches Regiment, unter dem es keinen Platz für Liebe und Zuneigung im Haus gegeben hatte, hatten alle schweigend ertragen, selbst den offenen Hass gegen den Adoptivsohn, das ‘Halbblut’. Wenn Mary nicht gewesen wäre, ihren Mann immer wieder beruhigt und die Wogen geglättet hätte, wäre Rand schon lange vor seinem siebzehnten Geburtstag davongelaufen.
    Rand überlegte. Es gab da eine Frage, die er sich nie hatte beantworten können und auch nie gewagt hatte auszusprechen. Jetzt war die Gelegenheit, sie zu stellen. “Warum hat er mich eigentlich überhaupt adoptiert?”
    “Das geschah auf meinen Wunsch hin. Es ging alles sehr schnell. Wir bekamen eines Abends einen Anruf. Jemand im Amt von Granite Springs wusste davon, dass ich ein
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