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Der Kreuzritter - Aufbruch - Vägen till Jerusalem

Titel: Der Kreuzritter - Aufbruch - Vägen till Jerusalem
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vorsprach, und wann jeder sein eigenes Gebet zu murmeln hatte. Bei jedem Gebet, das sie selbst sprechen musste, betete sie um ihr Leben.

    Gott hatte ihr vor drei Jahren einen Sohn geschenkt. Es hatte zwei Tage und zwei Nächte gedauert, ihn zu gebären; zweimal war die Sonne auf- und wieder untergegangen, während sie in Schweiß, Angst und Schmerz badete. Da wusste sie, dass sie sterben würde, und das wussten am Ende auch all die guten Frauen, die ihr beistanden. Sie hatten den Priester unten in Forshem kommen lassen, und er hatte ihr die Absolution erteilt und die letzte Ölung gegeben.
    Nie wieder, hatte sie gehofft. Nie wieder diesen Schmerz, nie wieder diese Todesangst, betete sie jetzt. Das war ein selbstsüchtiger Gedanke, das wusste sie sehr wohl. Es war schließlich nicht ungewöhnlich, dass Frauen im Kindbett starben, und der Mensch sollte unter Schmerzen geboren werden. Sie hatte jedoch den Fehler begangen, zur Heiligen Jungfrau zu beten, gerade sie zu verschonen. Überdies hatte sie versucht, ihre ehelichen Pflichten so zu erfüllen, dass es nicht zu einem neuen Kindbett führte. Ihr Sohn Eskil war schließlich ein wohlgestalter und flinker kleiner Knabe mit allen Fähigkeiten, die Kinder haben sollen.
    Die Heilige Jungfrau hatte sie natürlich gestraft. Die Menschen hatten die Pflicht, fruchtbar zu sein und sich zu mehren, und wie konnte man erwarten, erhört zu werden, wenn man ausgerechnet darum bat, selbst von dieser Verantwortung entbunden zu werden? Jetzt warteten also neue Qualen, das war gewiss. Und dennoch betete sie immer wieder darum, glimpflich davonzukommen. Um zumindest die weit geringere und weniger elende Pein zu lindern, viele Stunden lang immer wieder aufzustehen und niederzuknien, hatte sie ihre Leibeigene Sot taufen lassen, damit sie sie in Gottes Haus mitnehmen und sich auf sie stützen konnte. Sots große schwarze Augen waren
aufgerissen wie bei einem scheuenden Pferd von all dem, was sie hier zu sehen bekam, und wenn sie zuvor noch keine richtige Christin gewesen war, würde sie es jetzt wohl werden.
    Drei Mannslängen vor Sigrid standen König Sverker und Königin Ulvhild. Die beiden ächzten unter der Last ihres Alters, und es fiel ihnen zusehends schwerer, ohne allzu viel Keuchen oder unpassende Laute des Allerwertesten immer wieder aufzustehen und niederzuknien. Sigrid befand sich jedoch ihretwegen im Dom und nicht für Gott. König Sverker schätzte weder ihre norwegischen und westgötischen Sippen noch die norwegischen und folkungischen Sippen ihres Mannes sonderlich hoch. Und jetzt, im hohen Alter, bot dem König das jenseitige Leben Anlass zu Misstrauen und Besorgnis. Es hätte zu Missverständnissen führen können, der großen, gottgefälligen Kirchenweihe des Königs fernzubleiben. Wenn ein Mann oder eine Frau mit Gott nicht im reinen war, ließ sich das möglicherweise mit Ihm selbst ausmachen. Sich mit dem König zu überwerfen, hielt Sigrid für schlimmer.
    Doch als der Gottesdienst nun schon die dritte Stunde dauerte, begann sich in Sigrids Kopf alles zu drehen, und das beständige Niederknien und Aufstehen fiel ihr schwerer und schwerer. Das Kind in ihr trat und bewegte sich immer heftiger, als wollte es protestieren. Sie hatte das Gefühl, als würde der gelblich bleiche, blank geschliffene Kalksteinboden unter ihr schwanken, und sie glaubte zu sehen, wie er Risse bekam, als wollte er sich öffnen und sie plötzlich verschlingen. Da tat sie das Unerhörte. Sie ging resolut und mit raschelndem Seidenkleid zu einer leeren kleinen Seitenbank und setzte sich. Alle sahen es, auch der König.

    Gerade als sie erleichtert auf die kleine Steinbank im Seitenschiff niedersank, zogen die Mönche von Lurö ein. Sigrid wischte sich Stirn und Gesicht mit einem kleinen Leinentuch ab und winkte ihrem Sohn dort hinten bei Sot aufmunternd zu.
    Da begann der Gesang der Mönche. Sie waren schweigend und wie im Gebet mit gesenkten Häuptern durch den Mittelgang nach vorn geschritten und hatten sich ganz hinten beim Altar aufgestellt, wohin die Bischöfe und ihre Gehilfen sich jetzt zurückzogen. Zunächst klang es nur wie ein dumpfes, schwaches Murmeln, dann ertönten plötzlich laute Knabenstimmen; einige der Mönche von Lurö trugen braune statt weißer Kutten und waren ganz offensichtlich noch Knaben. Ihre Stimmen stiegen wie helle Vögel zu dem gewaltigen Deckengewölbe empor, und als sie so hoch hinaufgetragen worden waren, dass sie den ganzen gewaltigen Raum erfüllten, fielen
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