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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund
Autoren: Ralf Isau
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Mal.
    David blieb stehen. Lange schon hatte niemand mehr so mit ihm gesprochen. Aber er gehorchte. Irgendwie gefiel es ihm sogar, nicht mehr die ganze Bürde seiner Aufgabe allein tragen zu müssen. Kraftlos ließ er die Schultern hängen und jammerte: »Lange halte ich diese ständigen Rückschläge nicht mehr aus. Hast du eine Idee, was wir jetzt tun sollen?«
    »Bis das Konklave einen neuen Papst gewählt hat, wird noch einiges Wasser den Tiber hinabfließen. Es gibt da allerdings eine Sache, die ich ohnehin heute noch ausprobieren wollte.«
    »Was denn?«
    »Sagt dir der Name Hudal etwas?«
    »Nie gehört.«
    »Bischof Dr. Alois Hudal ist Rektor der deutschen Nationalkirche Santa Maria dell’Anima. Er hat aus seiner Schwäche für die Nationalsozialisten nie einen Hehl gemacht.«
    »Ein deutscher katholischer Bischof?«
    »Eigentlich ist er Österreicher. Man erzählt sich da eine nette kleine Anekdote: Hudal soll einmal Adolf Hitler ein Exemplar seines Machwerks mit dem schönen Titel Die Grundlagen des Nationalsozialismus geschenkt haben. Als Widmung textete er: ›Dem Siegfried deutscher Größe‹. Ist das nicht herzallerliebst?«
    »Du kannst ja richtig zynisch sein, Lorenzo.«
    »Hudal ist einer jener Katholiken, die meinen Glauben erschüttert haben. Aber das nur am Rande. Der Bischof gehört einer geheimen kirchlichen Organisation an, die sich der Fluchthilfe für Nazifunktionäre verschrieben hat. Um die Kriegsverbrecher vor dem Zugriff der Justiz zu retten, werden sie über die so genannte ›Klosterroute‹ in nazifreundliche Länder ausgeschleust und Hudal spielt sogar eine Schlüsselrolle dabei. In vielen Fällen haben sich die Gesuchten über Österreich abgesetzt, sind einige Zeit bei Mönchen untergeschlüpft, bis ihnen der Bischof dann frische Papiere gebacken hatte. Schließlich verschwanden sie auf Nimmerwiedersehen als ›unbescholtene‹ Emigranten ins Ausland.«
    »Vorwiegend nach Südamerika, ich weiß. Dieser fromme Mann interessiert mich, Lorenzo. Ich werde dich begleiten.«
     
     
    Die Kirche an der Piazza della Pace 20 fiel in jeder Hinsicht aus dem Rahmen. Natürlich waren die für Rom reichlich ungewöhnlichen gotischen Elemente von Santa Maria dell’Anima ein für David vernachlässigbarer Stilbruch. Als wesentlich deplatzierter empfand er das Element, das sie unmittelbar vor dem Altar erwartete. Es hieß Alois.
    Ein Bischof, der gesuchte Nazis vor der Justiz verstecke, das sei schon eine besonders unverfrorene Gotteslästerung, hatte Lorenzo bemerkt. Dieser Meinung war auch David. Er stellte sich Hochwürden als Friedrich Vauser vor, der für das deutsch-argentinische Blatt Der Weg schreibe und die Verdienste des frommen Kirchenmannes vielspaltig würdigen wolle. Das freute Hudal. Er schien mit seiner von ihm als »karitative Arbeit« begriffenen Fluchthilfe keine Probleme zu haben, ja, man konnte glauben, er kokettiere sogar mit der Illegalität seines Tuns.
    David umgarnte den Bischof mit Schmeicheleien und der schwang sich in immer höhere Sphären der Selbstbeweihräucherung empor. Irgendwann stöhnte der Nazi in narzistischer Verzückung: »Ich danke dem Herrgott, dass er mir meine Augen geöffnet und die unverdiente Gabe geschenkt hat, so viele Opfer der Nachkriegszeit in Kerkern und Konzentrationslagern besucht und getröstet und nicht wenigen mit falschen Ausweispapieren ihren Peinigern durch die Flucht in glücklichere Länder entrissen zu haben.«
    David blieb die Luft weg. Mit den Nachkriegs-KZs meinte Hudal natürlich nicht jene Vernichtungslager, in denen Juden vergast worden waren – an die hatte er kein Wort des Bedauerns verschwendet –, sondern normale Strafvollzugseinrichtungen.
    Als er sich wieder einigermaßen im Griff hatte, sagte David: »Leider muss ich bald wieder abreisen. Aber ich würde für mein Blatt gerne noch die Stimme eines langjährigen Weggefährten des verblichenen Heiligen Vaters einfangen. Dabei dachte ich an ein Interview mit dem Botschafter des Deutschen Reiches in der Türkei. Durch Ihre Vermittlung ließe sich das zeitlich doch noch arrangieren, nicht wahr?«
    Er hatte absichtlich in diesem Zusammenhang das von den Nazis verpönte Attribut »ehemalig« vermieden. Die Minister und hohen Staatsdiener des Reiches galten nur als ihrer Ämter bestohlen. Hudal war dieses Detail nicht entgangen. Gleichwohl zögerte er noch.
    David lächelte gewinnend, »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Franz von Papen hält sich in der Stadt auf, das
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