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Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund

Titel: Der Kreis der Dämmerung 04 - Der unsichtbare Freund
Autoren: Ralf Isau
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ist kein Geheimnis. Ich kenne nur seine derzeitige Adresse nicht.«
    Hudal antwortete ausweichend. »Ich könnte vielleicht ein Treffen vermitteln.«
    David wäre am liebsten an die Decke gesprungen. Es gelang ihm nur mühsam, seine Freude auf ein mildes Lächeln zu reduzieren. »Das würde mir vollauf genügen.«
    »Ich gebe Ihnen eine Telefonnummer, unter der Sie mich erreichen können. Am besten rufen Sie in zwei Stunden an. Und Sie glauben wirklich, die Kirche der Deutschen in Rom mit einem Artikel gebührend würdigen zu können?«
    Das Lächeln blieb unverrückbar auf Davids Lippen. »Wie Sie das eben formuliert haben, Hochwürden, gefällt mir wirklich: gebührend würdigen. Ja, das, denke ich, wird mir gelingen.«
     
     
    Triumph auf der ganzen Linie! Nicht nur, dass Hudal Papens Anwesenheit in Rom bestätigt hatte, er übernahm sogar die Vermittlerrolle, um ein »Interview« mit dem ehemaligen Reichskanzler zu arrangieren. Zwei Stunden später war alles unter Dach und Fach. Noch am selben Abend sollte das Treffen stattfinden. David konnte es kaum glauben. Wie viele Jahre war er diesem Mann nachgejagt? Und nun wurde sein Kopf ihm beinahe auf einem silbernen Tablett serviert.
    »Du wirst doch keine Dummheiten machen, wenn du ihm gegenüberstehst?«, fragte Lorenzo, als sie im Taxi zur Piazza Navona unterwegs waren, um Papen in den Privatgemächern des Nazifreundes Hudal aufzusuchen.
    »Was meinst du?«
    »Nun komm schon, David!« Lorenzo schob wegen des Taxifahrers seine Lippen dicht ans Ohr des Freundes und flüsterte: »Ich rede von Erwürgen, Kehledurchschneiden, Genickbrechen – solchen Sachen eben.«
    »Er hat Rebekka auf dem Gewissen.«
    »Dafür gibt es keine Beweise.«
    »Ich will seinen Ring und seine Macht. Sein armseliges Leben kann er meinetwegen behalten.«
    »Du solltest dich nicht irgendwelchen Rachegelüsten hingeben. Vergeltungssucht ist wie Gangrän, das schließlich jede Vernunft besiegt und einen von innen verzehrt. ›Mein ist die Rache, spricht der Herr.‹ Bleib bitte besonnen, hörst du, David?«
    »Ist ja schon gut. Ich werde ihm kein Härchen krümmen. Es sei denn, er will es so.«
    »Du bist unverbesserlich!«
    »Um das zu sagen, kennst du mich noch nicht lange genug.«
    »Dann ändert sich das jetzt. Ich werde auf jeden Fall dem Treffen beiwohnen.«
    »Du weißt, wie meine letzten ›Besprechungen ‹ mit den Angehörigen eines gewissen Zirkels ausgegangen sind. Mir wäre es wirklich lieber… «
    »Willst du das Thema etwa noch mal durchkauen, David? Ich bin bei dem Gespräch dabei, wie wir es beschlossen haben.«
    David nickte. Dann wanderte sein Blick wieder auf die Straße hinaus. »Schau, da! Das müsste Hudals Residenz sein.«
    Das Taxi hielt vor der hohen Holztür eines stuckverzierten Stadthauses, von dem pausbäckige Engelchen auf die Ankömmlinge herabblickten. Es war kurz vor acht. Längst hatte sich die Sonne von der trauernden Stadt abgewandt. Ein Diener öffnete den beiden Besuchern das Tor. Wenig später hieß sie im Salon der Bischof willkommen, zum zweiten Mal an diesem Tag und doppelt so freundlich. Man wechselte einige der üblichen Höflichkeitsfloskeln. Dann endlich sprach Hudal die ersehnten Worte.
    »Herr von Papen müsste jetzt bereit sein, Sie zu empfangen. Ich habe Ihnen für das Gespräch meine Bibliothek zur Verfügung gestellt. Gehen Sie einfach durch diese Tür.« Er deutete auf ein wahrhaft stattliches Exemplar der Gattung, das David an einige ähnlich hoch aufgeschossene Artgenossen im Vatikan erinnerte.
    David dankte dem Bischof und schritt äußerlich ruhig auf das Türmonstrum zu. Lorenzo folgte ihm wie sein Schatten. David klopfte und hörte von drinnen ein leises »Herein«. Langsam, als koste es ihn viel Kraft, drückte er die Klinke nieder. Dann trat er in den von Büchern und massiven Nussbaummöbeln beherrschten Raum. Auf einem rechteckigen Tisch brannte eine einsame Leselampe, deren Form und Farbe entfernt an einen ausgehöhlten Stalaktiten erinnerten. Sie tauchte das Zimmer in ein gelbbraunes Licht.
    Franz von Papen war beim Offnen der Tür aufgestanden und hatte den auf ihn zukommenden Besuchern ruhig entgegengeblickt. Lorenzo hielt sich im Hintergrund. Ungefähr anderthalb Schritte vor dem einstigen Reichskanzler blieb David stehen. Sein Herz raste. Er spürte seine Handflächen feucht werden. Dieser Begegnung haftete etwas zutiefst Unwirkliches an. Ihm wäre wohler gewesen, wenn Papen eine Pistole zücken oder sich sonst auf irgendeine
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