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Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind

Titel: Der Kreis der Dämmerung 01 - Das Jahrhundertkind
Autoren: Ralf Isau
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hochverehrter Kollege Rodari ihm nicht selbst sagen könne, er möge sich bitte kurz fassen.
    Bloomberry deutete ein Nicken an. »Das ist auch in meinem Sinne, verehrter Meister Ozaki. Ich habe hier«, dabei trat er einen Schritt zur Seite und zerrte das verschüchterte Mädchen in die hierdurch entstandene Lücke zwischen ihm und Rodari, »die kleine Maria. Sie ist die Tochter Rodaris. Eigentlich sollte Maria für die erkrankte Elizabeth einspringen, aber durch ein Versehen haben die Herrschaften erst zu spät davon erfahren und so wurde, völlig unnötigerweise, dieser Junge da eingestellt. Kurzum: Maria wird Ihnen von nun an weiter zur Seite stehen. Der Junge kann gehen.«
    Jeff glaubte, der Himmel bräche über ihm zusammen. Doch er versuchte sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Er hatte natürlich sofort durchschaut, was dieses Manöver Rodaris bedeutete. Bestimmt war nicht nur Jeff ein so ausgesprochen großzügiger Lohn für seinen sonntäglichen Arbeitseinsatz versprochen worden. Rodari wollte das Familieneinkommen aufbessern, indem er auch noch seine Tochter in den Kreis des Hilfspersonals bugsierte.
    Jeff schätzte seine Chancen ab. Wenn er um seine Anstellung kämpfte, dann konnte er womöglich auch noch den Vorschuss verlieren. Die Aussicht, gegen den etablierten Küchenchef und den Obersten der Dienerschaft zu siegen, war wohl eher gering. Trotzdem – er erinnerte sich an Dorothys Reaktion bei der Erwähnung eines bestimmten Namens – wollte er sich nicht ganz kampflos geschlagen geben.
    »Aber ich bin von Negromanus persönlich eingestellt worden.«
    Die selbstgefälligen Mienen Rodaris und Bloomberrys gefroren jäh. Der Schlag hatte gesessen. Jeff wollte schon neue Hoffnung schöpfen, doch nach einer gewissen Erholungspause rappelte sich der Zeremonienmeister wieder auf. »Der ehrenwerte Negromanus hat sicher selbst erst zu spät von Marias freundlichem Hilfsangebot gehört. Er hat stets den Grundsatz verfolgt, nur in Ausnahmefällen auf fremdes Personal zurückzugreifen. Und er ist sehr gewissenhaft! Ich zweifle daher nicht, in seinem Sinne und vor allem im Interesse von Lord Belial zu handeln. Sollte dir Sir Negromanus auf deinem Weg nach draußen begegnen, dann kannst du ihn ja fragen, ob er nicht noch etwas anderes für dich hat.«
    Ein geschickter Zug, dachte Jeff zähneknirschend. Was konnte er darauf noch erwidern? Bloomberry und Rodari hatten ihn schachmatt gesetzt. Double-O protestierte zwar noch eine Weile, aber Jeff hörte schon gar nicht mehr richtig hin. Zu oft schon hatte er solche Kämpfe geführt, manche gewonnen, aber viel zu viele auch verloren. Er verabschiedete sich mit einer Verbeugung von dem japanischen Koch und verließ die Küche.
    Als die Tür hinter Jeff zugefallen war, befand er sich allein in einem langen Flur. Zu seiner Linken sah er die Treppe, durch die er zur Küche heruntergekommen war. Am Ende des Ganges befand sich eine zweite Stiege. Wenn er nicht völlig seine Orientierung verloren hatte, dann müsste das die Richtung zum zentralen Hauptbau sein. Hatte Bloomberry nicht gesagt, er könne Negromanus fragen, ob es noch andere Arbeiten für ihn gäbe? Jeff fasste dies als Einladung zu einem kleinen Streifzug durch das Haus auf.
    Zuerst lief er durch den Kellergang und nahm dann die hintere Treppe hinauf zum Erdgeschoss. Bald stand er in einem weiteren Flur, breit und ganz mit Holz getäfelt. An den Wänden hingen langweilige Ölgemälde, ausnahmslos Porträts von Leuten mit bitterernsten Mienen. Auffällig war die Reihe geschmiedeter Ständer, größer als er selbst, die sich durch den Gang zog. Sie hatten oben Schalen, vermutlich Feuerbecken, mit denen nachts die finsteren Flure erleuchtet wurden. Er blickte nach links, folgte mit den Augen der Kette von Leuchtern und entdeckte so das Ende des Ganges. Dieser mündete in eine große Eingangshalle. Von dort musste die Magd Dorothy das Haus verlassen haben.
    In der Zwischenzeit war Jeffs Unmut über das ihm zugefügte Unrecht in den Boden seines Bewusstseins gesickert und hatte dort die dünne Krume guter Vorsätze fortgespült. Diebische Instinkte regten sich nun in ihm. Er wusste, wie man ein Haus lautlos und ungesehen durchstöberte. Es war vielleicht nicht der Vorsatz, wirklich etwas zu stehlen, der ihn dazu veranlasste, nach rechts abzubiegen, aber warum konnte er nicht wenigstens dem Zufall etwas auf die Sprünge helfen? Wenn er Negromanus nur lange genug suchte, dann würde er ihm früher oder
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