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Der Krater

Titel: Der Krater
Autoren: Douglas Preston
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Weile für mich auf, nur vorsichtshalber, bis sich die Wogen geglättet haben. Tu es für mich, Mark, ich bitte Dich. Du bist der Einzige, dem ich vertrauen kann.
    Nimm keinen Kontakt zu mir auf, ruf mich nicht an, verhalte Dich ganz ruhig. Du wirst bald von mir hören. Und dann wüsste ich gern, was Du von den Daten zur Gammastrahlung hältst, falls Du dazu kommst, einen Blick hier hineinzuwerfen.
    Jason
    Und dann, ganz unten hingekritzelt wie ein nachträglicher Einfall, stand das Passwort für die Festplatte.
    Einen Augenblick lang konnte Corso keinen klaren Gedanken fassen. Er starrte nur auf den Brief, bis er bemerkte, dass der in seiner zitternden Hand flatterte.
    Das war eine Katastrophe. Eine Katastrophe von ungeheurem Ausmaß. Eine Sicherheitslücke, die alle Beteiligten ruinieren konnte. Das hier würde alles in den Dreck ziehen. Es war nicht nur in höchstem Maße illegal, dass diese als geheim eingestufte Festplatte sich außerhalb des Institutsgebäudes befand – die Tatsache, dass Freeman es geschafft hatte, sie herauszuschmuggeln, würde für einen gewaltigen Aufruhr sorgen. Die Sicherheitsvorschriften für den Umgang mit geheimen Informationen waren ihnen vom ersten Tag an eingebleut worden. Da gab es absolut null Toleranz. Er erinnerte sich an den Skandal in Los Alamos in den neunziger Jahren, als eine einzige klassifizierte Festplatte verschwunden war. Die Nachricht erschien auf dem Titel der
New York Times
, der Direktor wurde praktisch zum Rücktritt gezwungen, Dutzende Wissenschaftler wurden gefeuert. Das war ein Blutbad gewesen.
    Er setzte sich, begrub den Kopf in den Händen und raufte sich die Haare. Wie hatte Freeman das Ding rausgeschafft? Diese Datenträger mussten jeden Abend versiegelt, in einem Kontrollbuch eingetragen und in einem Safe eingeschlossen werden. Sie waren so gut verschlüsselt, wie man überhaupt etwas verschlüsseln konnte, und außerdem mit einer physischen Sicherung versehen. Jeder Gebrauch wurde aufgezeichnet und in der Security-Akte des Nutzers festgehalten. Wenn man sie weiter als eine festgelegte Distanz von ihrem genehmigten Server entfernte, wurde Alarm ausgelöst.
    Freeman hatte all das irgendwie umgangen.
    Corso rieb sich mit den Handflächen die Augen und versuchte, sich zu beruhigen. Wenn er das der NPF meldete, würde es einen Skandal geben, der einen schwarzen Schatten über die gesamte Mars-Mission warf und den Ruf aller Kollegen schädigte – vor allem aber seinen. Freeman und er kannten sich schon sehr lange. Freeman hatte ihn an Bord geholt und ihn als Mentor unterstützt; Corso war als Freemans Protegé bekannt. Während Freemans Absturz in den vergangenen Monaten hatte Corso versucht, ihm zu helfen, und keinen Hehl daraus gemacht.
    Aber natürlich musste er das einzig Richtige tun und diese Verletzung der Datensicherheit melden. Ihm blieb gar keine andere Wahl.
    Oder doch? War es besser, richtig zu handeln oder klug?
    Allmählich verstand er, warum Freeman ihm das Ding als gewöhnliches Päckchen auf dem Landweg geschickt hatte statt per Express oder Paketdienst. Keinerlei Aufzeichnungen. Der Empfänger brauchte nichts zu unterschreiben, und es gab keine Nummer, mit der man die Sendung nachverfolgen könnte.
    Wenn Corso die Festplatte zerstörte und so tat, als hätte er sie nie bekommen, würde niemand davon erfahren. Irgendwann würden sie wohl feststellen, dass der Datenträger fehlte und Freeman ihn hatte mitgehen lassen, doch Freeman war tot, und damit war die Sache beendet. Es gab keine Spur, die zu Corso führte.
    Er fühlte sich schon etwas ruhiger. Das Problem war durchaus zu handhaben. Er würde es auf die einzig vernünftige Weise lösen – die Festplatte zerstören und so tun, als hätte er sie nie bekommen. Morgen würde er in die Berge fahren, eine kleine Wanderung machen, sie in Stücke schlagen, verbrennen und die Reste vergraben.
    Er war augenblicklich erleichtert. Natürlich, das war die einzig richtige Art, dieses Problem anzupacken.
    Er stand auf, ging in die Küche, holte sich ein Bier, trank einen eiskalten Schluck und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Er starrte die Festplatte an, die da auf seinem Couchtisch lag. Freeman war leicht erregbar, ein bisschen verrückt, aber auch brillant. Was war das für eine große Sache, diese Geschichte mit der Gammastrahlung? Corsos Neugier war geweckt.
    Ehe er die Festplatte vernichtete, würde er nur einen kurzen Blick auf die Daten werfen – nur mal sehen, was zum Teufel Freeman gemeint
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