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Der kommende Aufstand

Der kommende Aufstand

Titel: Der kommende Aufstand
Autoren: Unsichtbares Komitee
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sich so viel Mühe gemacht hat, um einige junge kommunistische
     Bauern wegen Terrorismus zu inhaftieren, weil sie am Verfassen
     von Der kommende Aufstand beteiligt gewesen sein sollen,
     dann ist das nicht wegen eines »Meinungsdeliktes«, sondern weil
     sie womöglich eine Art verkörpern, wie man Handeln und Denken in
     derselben Existenz vereinigt. Was im Allgemeinen nicht verziehen
     wird.
    Wofür man diese Leute anklagt, ist nicht,
     irgendetwas geschrieben zu haben, und auch nicht, die
     sakrosankten Flüsse, die die Metropole bewässern, materiell
     angegriffen zu haben. Sondern dafür, dass sie möglicherweise
     diese Flüsse mit der Stärke eines politischen Denkens und einer
     politischen Stellungnahme angegriffen haben. Dass hier ein
     Handeln gemäß einer anderen Beschaffenheit der Welt als der –
     wüstenhaften – des Empire hat Sinn machen können. Der
     Antiterrorismus hat vorgegeben, das mögliche Entstehen einer
     »kriminellen Vereinigung« zu bekämpfen. Aber was in Wirklichkeit
     bekämpft wird, ist das Entstehen der Situation. Die Möglichkeit,
     dass sich hinter jedem Lebensmittelhändler einige böse Absichten
     verstecken und hinter jedem Denken das Handeln, zu dem es
     auffordert. Die Möglichkeit, dass sich eine Vorstellung von
     Politik – anonym, aber aufgreifbar, weit verstreut und
     unkontrollierbar – verbreitet, die nicht in die Abstellkammer
     der Meinungsfreiheit geschoben werden kann.
     
    Es gibt kaum noch Zweifel, dass es die
     Jugend ist, die als Erste die Macht wild angreifen wird. Von den
     Unruhen im Frühling 2001 in Algerien zu denen im Winter 2008 in
     Griechenland sind die letzten Jahre nichts als eine einzige
     Folge von diesbezüglichen Warnungen. Diejenigen, die vor dreißig
     oder vierzig Jahren gegen die Moral ihrer Eltern revoltierten,
     werden es nicht versäumen, das auf einen neuen
     Generationskonflikt zu reduzieren, wenn nicht gar auf eine
     vorhersehbare Auswirkung der Adoleszenz.
    Die einzige Zukunft einer »Generation« ist es, die
     vorangegangene zu sein; auf einem Weg, der unweigerlich zum
     Friedhof führt.

    Die Tradition möchte, dass
     alles mit einer »sozialen Bewegung« anfängt. Vor allem in dem
     Moment, wo die Linke, die nur weiter verwest, scheinheilig
     versucht, sich wieder eine »street credibility« zu
     verschaffen. Nur dass sie das Monopol der Straße nicht mehr
     besitzt. Man muss nur sehen, wie bei jeder neuen
     Schüler-Mobilisierung – wie bei allem, was sie noch zu
     unterstützen wagt – eine Kluft entsteht, die immer tiefer wird,
     zwischen ihren weinerlichen Forderungen und dem Niveau an Gewalt
     und Entschlossenheit der Bewegung.
    Aus dieser Kluft müssen wir einen Schützengraben machen.
    Wenn wir sehen, wie die »sozialen Bewegungen« aufeinander
     folgen und sich gegenseitig vertreiben und dabei offensichtlich
     nichts hinterlassen, sind wir doch gezwungen festzustellen, dass
     dort etwas fortbesteht. Ein Lauffeuer verbindet das miteinander,
     was sich bei jedem Ereignis nicht durch die absurde Zeitlichkeit
     von der Aufhebung eines Gesetzes oder von irgendeinem anderen
     Vorwand hat gleichschalten lassen. Stoßweise und in ihrem
     eigenen Rhythmus sehen wir so etwas wie eine Kraft Gestalt
     annehmen. Eine Kraft, die ihre Zeit nicht erleidet, sondern sie
     still erzwingt.
    Die Zeit ist vorbei, in der man die Zusammenbrüche
     voraussieht oder ihre frohe Möglichkeit beweist. Mögen sie
     früher oder später kommen, man muss sich auf sie vorbereiten. Es
     geht nicht darum, das Schema dessen aufzustellen, was ein
     Aufstand sein müsste, sondern darum, die Möglichkeit der
     Erhebung zu dem zurückzuführen, was sie nie hätte aufhören
     dürfen zu sein: ein Lebensdrang der Jugend ebenso wie eine
     Volksweisheit. Vorausgesetzt, man weiß sich darin zu bewegen,
     ist die Abwesenheit eines Schemas kein Hindernis, sondern ein
     Glück. Für die Aufständischen ist sie der einzige Raum, der
     ihnen das Wesentliche garantierenkann: die
     Initiative zu behalten. Bleibt nur noch, einen gewissen Blick,
     ein gewisses taktisches Fieber zu erregen – zu schüren, wie man
     ein Feuer schürt –, das sich, wenn der Moment gekommen ist,
     gleich jetzt, als entscheidend erweist und als ständige Quelle
     von Entschlossenheit. Schon treten gewisse Fragen wieder auf,
     die gestern noch grotesk oder veraltet wirken konnten; es
     bleibt, sie aufzugreifen, nicht um sie endgültig zu beantworten,
     sondern um sie lebendig zu halten.
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