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Der kommende Aufstand

Der kommende Aufstand

Titel: Der kommende Aufstand
Autoren: Unsichtbares Komitee
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Flüsse und ihre Avenuen, ihre
     Menschen und ihre Normen, ihre Codes und ihre Technologien. Die
     Macht ist die Organisation der Metropole. Sie ist die makellose
     Totalität der Warenwelt in jedem ihrer Punkte. Deshalb
     produziert, wer sie lokal absetzt, eine planetarische Druckwelle
     durch die Netze. Die Angreifer von Clichy-sous-Bois 25 haben so
     manchen amerikanischen Haushalt erfreut, während die
     Aufständischen von Oaxaca mitten im Herzen von Paris Komplizen
     gefunden haben. Für Frankreich bedeutet der Verlust der
     Zentralmacht das Ende von Paris als revolutionärem Zentrum. Jede
     neue Bewegung seit den Streiks von 1995 bestätigt das. Die
     kühnsten, die solidesten Umtriebe tauchen nicht mehr dort
     auf. Nur als einfache Zielscheibe für Razzien, als reines
     Terrain für Plünderung und Verwüstung zeichnet Paris sich noch
     aus. Es sind kurze und brutale Überfälle von anderswo her, die
     am Punkt der maximalen Dichte der metropolitanen Flüsse
     angreifen. Es sind Schwadender Wut, die durch
     die Wüste dieses falschen Überflusses ziehen und sich dann
     auflösen. Der Tag wird kommen, an dem die Hauptstadt, diese
     grauenhafte Versteinerung der Macht, völlig zerstört sein wird,
     aber das wird am Ende eines Prozesses sein, der überall weiter
     fortgeschritten sein wird als dort.
     
    Alle Macht den
Kommunen!
    23 eine 2001 explodierte chemische Fabrik von TOTAL in Toulouse, A.d.Ü.
    24 Großmarkt in der Nähe von Paris, A.d.Ü.
    25 Vorstadtunruhen 2005, A.d.Ü.

In der Metro findet man
keine Spur der Schutzwand von Befangenheit mehr, die
normalerweise die Gesten der Fahrgäste hemmt. Die Unbekannten
sprechen miteinander, statt sich nur anzusprechen. Eine Bande
tuschelt an einer Straßenecke. Größere Menschenaufläufe auf den
Boulevards diskutieren ernsthaft. Die Angriffe antworten
einander von einer Stadt zur anderen, von einem Tag zum
anderen. Eine neue Kaserne ist geplündert, dann niedergebrannt
worden. Die Bewohner einer zur Räumung gezwungenen Wohnung
haben aufgehört, mit den Behörden zu verhandeln: Sie bewohnen
sie. In einer Anwandlung von klarem Bewusstsein hat ein Manager
gerade, mitten in einer Sitzung, eine Handvoll Kollegen
kaltgemacht. Listen, die die persönlichen Adressen aller
Polizisten und Gendarmen sowie der Angestellten der
Gefängnisverwaltung enthalten, sind gerade durchgesickert, was
eine noch nie da gewesene Welle überstürzter Umzüge
verursacht. In die alte Bar-mit-Kramladen bringt man den
Überschuss, den man produziert, und besorgt sich, was man
braucht. Man trifft sich dort auch, um über die allgemeine
Situation zu diskutieren, und was man für die Auto-Werkstatt
noch braucht. Das Radio hält die Aufständischen über den
Rückzug der Regierungskräfte auf dem Laufenden. Ein
Raketengeschoss hat gerade die Mauer des Gefängnisses von
Clairvaux aufgerissen. Unmöglich zu sagen, ob ein Monat oder
Jahre vergangen sind, seit die »Ereignisse« angefangen
haben. Der Premierminister steht ganz schön allein da mit
seinen Aufrufen zur Ruhe.

Klarstellung

Alle sind sich
     einig. Es wird knallen. In den Korridoren der
     Nationalversammlung stimmt man darin überein, mit ernster Miene
     oder unverfroren, wie man es gerade gestern in der Kneipe noch
     mal gesagt hatte. Man spielt die Risiken durch. Schon erörtert
     man haargenau die vorbeugenden Operationen zur flächendeckenden
     Kontrolle des Territoriums. Die Neujahrsfeiern bekommen dadurch
     eine entscheidende Wendung. »Dies ist das letzte Jahr, in dem es
     Austern gibt!« Damit das Fest nicht vollkommen von der Tradition
     der Unordnung überschattet wird, bedarf es der 36 000 Bullen und
     16 Hubschrauber, die Verteidigungsministerin Alliot-Marie
     entsendet, sie, die während der Dezember-Demonstrationen der
     Schüler zitternd nach dem kleinsten Zeichen einer griechischen
     Kontamination Ausschau hielt. Hinter den beruhigenden Worten
     hört man immer klarer das Geräusch der Vorbereitungen eines
     offenen Krieges. Keiner kann mehr seine zur Schau gestellte,
     kalte und pragmatische Durchführung ignorieren, die sich nicht
     einmal mehr die Mühe gibt, sich als eine Operation zur
     Befriedung darzustellen.
     
    Die Zeitungen erstellen gewissenhaft die
     Liste der Ursachen für die plötzliche Beunruhigung. Da gibt es
     natürlich die Krise mit ihrer explosiven Arbeitslosigkeit, ihrem
     Angebot an Hoffnungslosigkeit und Sozialplänen, ihren Kerviel-
     oder Madoff-Skandalen. Es gibt
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