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Der kommende Aufstand

Der kommende Aufstand

Titel: Der kommende Aufstand
Autoren: Unsichtbares Komitee
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das Scheitern des Schulsystems,
     das es nicht mehr schafft, Arbeiter zu produzieren undStaatsbürger auf Maß zu bringen; nicht einmal
     mehr aus den Kindern der Mittelklasse. Es gibt das Unbehagen
     einer Jugend, sagt man, der keine politische Vertretung
     entspricht, die nur noch dazu taugt, Autos wie Rammböcke auf die
     Fahrräder zu werfen, die man bereit ist, ihr kostenlos zur
     Verfügung zu stellen.
     
    All diese Anlässe zur Beunruhigung dürften
     aber doch nicht unüberwindbar scheinen in einer Zeit, in der die
     vorherrschende Regierungsweise in der Verwaltung von
     Krisensituationen besteht. Außer man betrachtet es so, dass das,
     womit die Macht konfrontiert ist, weder eine weitere Krise ist,
     noch eine Reihe von chronischen Problemen, von mehr oder weniger
     erwarteten Störungen. Sondern eine einzigartige Gefahr: dass
     sich eine Konfliktform und Positionen manifestieren, die gerade
     nicht verwaltbar sind.

    Diejenigen, die diese Gefahr sind ,
     überall, müssen sich Fragen stellen, die weniger müßig sind als
     die nach den Ursachen und den Wahrscheinlichkeiten von
     Bewegungen und Zusammenstößen, die auf jeden Fall stattfinden
     werden. Dazu gehört folgende: Welche Resonanz hat das
     griechische Chaos in der französischen Situation? Eine Erhebung
     hier kann nicht als einfache Übertragung von dem gedacht werden,
     was sich dort ereignet hat. Selbst der weltweite Bürgerkrieg hat
     noch seine lokalen Besonderheiten, und eine Situation
     allgemeinen Aufruhrs würde in Frankreich eine Explosion ganz
     anderen Ausmaßes verursachen.
     
    Die griechischen Aufrührer haben es mit
     einem schwachen Staat zu tun gehabt, während sie gleichzeitig
     über eine starkePopularität verfügten. Man
     darf nicht vergessen, dass sich vor gerade mal dreißig Jahren
     die Demokratie gegen das Obristenregime auf der Basis einer
     Praxis der politischen Gewalt neu formiert hat. Diese Gewalt,
     die noch gut in Erinnerung ist, scheint für die meisten Griechen
     eine Selbstverständlichkeit zu sein. Selbst die Bonzen der
     Sozialistischen Partei haben in ihrer Jugend schon
     Molotow-Cocktails ausprobiert. Im Gegenzug kennt
     die klassische Politik Varianten, die sich sehr gut an
     diese Praktiken anpassen und es verstehen, ihren ideologischen
     Unsinn bis in den Aufruhr hinein zu verbreiten. Wenn die
     griechische Schlacht nicht auf der Straße entschieden und
     beendet wurde – die Polizei war dort sichtbar überfordert –,
     dann heißt das, dass ihre Neutralisierung woanders stattgefunden
     hat. In der Tat ist nichts anstrengender, nichts fataler als
     diese klassische Politik mit ihren abgestumpften Ritualen, ihrem
     Denken, das nicht denkt, ihrer kleinen geschlossenen Welt.
     
    In Frankreich waren selbst die
     Überschwänglichsten unserer sozialistischen Bürokraten immer nur
     freudlose Versammlungsunterwanderer, verantwortungsbewusste
     Griesgrame. Hier konkurriert alles darum, noch die geringste
     Form politischer Intensität zunichte zu machen. Das ermöglicht,
     dass man dem Randalierer immer noch den Bürger gegenüberstellen
     kann. Und aus einem bodenlosen Reservoir von falschen
     Gegenüberstellungen schöpfen kann: Nutzer gegen Streikende,
     Antiblockierer gegen Geiselnehmer, anständige Bürger gegen
     Gesindel. Eine quasi linguistische Operation, die mit quasi
     militärischen Maßnahmen einhergeht. Die Unruhen vom November
     2005 und, in einem anderen Kontext, die sozialen Bewegungen vom
     Herbst 2007 haben einige Beispiele für dieses Verfahren
     geliefert. Das Bild der Studenten aus Nanterre mit Strähnchen im
     Haar, die mit demRuf »Vorwärts, die
     Blauen« 26 der Räumung
     ihrer Kommilitonen durch die Polizei Beifall spenden, gibt schon
     einen Einblick in das, was die Zukunft für uns bereithält.
     
    Es versteht sich von selbst, dass die
     Verbundenheit der Franzosen mit dem Staat – Garant der
     universellen Werte, letztes Bollwerk gegen das Desaster – eine
     Pathologie ist, die man schwer wieder loswird. Es ist vor allem
     eine Fiktion, die nicht weiß, wie sie weiter bestehen
     kann. Unsere Regierenden selbst betrachten sie jeden Tag ein
     bisschen mehr als eine unnütze Behinderung, da wenigstens sie zu
     dem Konflikt stehen – militärisch. Sie haben überhaupt keine
     Hemmung mehr, Antiterror-Elitetruppen zu schicken, um die
     Vorstadt-Unruhen niederzuschlagen oder auch nur um eine
     Postverteilstelle zu befreien, die von ihren Angestellten
     besetzt wurde. Je mehr
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