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Der kommende Aufstand

Der kommende Aufstand

Titel: Der kommende Aufstand
Autoren: Unsichtbares Komitee
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erlangt, den allein ihre Handhabung
     überwinden kann. Ein authentischer Pazifismus kann nicht die
     Verweigerung der Waffen sein, nur ihres Gebrauchs. Pazifist zu
     sein, ohne Feuerkraft zu haben, ist nur die Theoretisierung
     einer Ohnmacht. Dieser a priori -Pazifismus entspricht
     einer Art vorbeugender Entwaffnung, es ist eine rein
     polizeiliche Operation. In Wahrheit stellt sich die Frage des
     Pazifismus ernsthaft nur für denjenigen, der die Feuerkraft
     besitzt. Und in diesem Fall wird der Pazifismus im Gegenteil ein
     Zeichen von Stärke sein, weil man einzig durch eine extrem
     starke Position von der Notwendigkeit befreit wird, zu
     feuern.
    Strategisch gesehen scheint sich die indirekte, asymmetrische
     Aktion am meisten zu lohnen, der Zeit am besten angepasst zu
     sein: Man greift eine Besatzungsarmee nicht frontal an. Trotzdem
     ist die Perspektive einer Stadtguerilla auf irakische Art mehr
     zu fürchten als zu wünschen, weil sie sich ohne Möglichkeit zur
     Offensive festfahren würde. Die Militarisierung des
     Bürgerkriegs ist das Scheitern des Aufstandes. Die Roten können
     1921 noch so triumphieren, die Russische Revolution ist schon
     verloren.
    Man muss zwei Arten staatlicher Reaktion in Betracht
     ziehen. Eine der offenen Feindschaft, die andere hinterlistiger,
     demokratischer. Die erste ruft ohne Umschweife zur Zerschlagung
     auf, die zweite, eine subtile, aber unerbittliche Feindschaft,
     wartet nur darauf, uns zu rekrutieren. Man kann von der Diktatur
     ebenso besiegt werden wie von der Tatsache, dass man darauf
     reduziert wird, nur noch der Diktatur Widerstand zu
     leisten. Die Niederlage besteht ebenso darin, einen Krieg zu
     verlieren, wie darin, die Wahl darüber zu verlieren,
     welcher Krieg zu führen ist. Im Übrigen ist beides möglich, wie
     es das Spanien von 1936 bezeugt: Die Revolutionäre wurden dort
     doppelt besiegt – durch den Faschismus und durch die
     Republik.
    Sobald die Sache ernst wird, ist es die
     Armee, die das Gelände besetzt. Der Beginn ihres Einsatzes ist
     weniger offensichtlich. Dafür müsste ein Staat beschließen, ein
     Blutbad anzurichten, was nur als Drohung aktuell ist, ein
     bisschen wie der Gebrauch der Atomwaffe seit einem halben
     Jahrhundert. Es bleibt aber, dass die staatliche Bestie – seit
     langer Zeit verletzt – gefährlich ist. Es bleibt, dass man der
     Armee gegenüber eine große Menschenmenge braucht, die in Reih
     und Glied einfällt und sich verbrüdert. Man braucht den 18. März
     1871. Die Armee auf der Straße, das ist eine aufständische
     Situation. Der Einsatz der Armee, das ist ein überstürzter
     Ausweg. Jeder sieht sich dazu aufgefordert, Stellung zu beziehen
     und zu wählen zwischen der Anarchie und der Angst vor der
     Anarchie. Ein Aufstand triumphiert nur als politische
     Kraft. Politisch ist es nicht unmöglich, eine Armee zu
     besiegen.
     
    Die Autoritäten lokal absetzen
     
    Für einen Aufstand ist die Frage, wie er
     sich unumkehrbar machen kann. Die Unumkehrbarkeit ist erreicht,
     wenn man gleichzeitig die Autoritäten und das Bedürfnis nach
     Autorität, gleichzeitig den Besitz und den Geschmack am
     Besitztum, gleichzeitig jede Hegemonie und den Wunsch nach
     Hegemonie besiegt hat. Das ist der Grund, warum der
     aufständische Prozess in sich selbst die Form seines Sieges
     enthält – oder die seiner Niederlage. In Sachen Unumkehrbarkeit
     hat die Zerstörung noch nie genügt. Es liegt alles in der Art
     und Weise. Es gibt Zerstörungsweisen, die unvermeidbar die
     Rückkehr dessen bewirken, was man vernichtet hat. Wer noch den
     Kadaver einer Ordnung erbittert bekämpft, kann sicher sein, dass
     er dazu anstiftet, ihn zu rächen. Außerdem ist es wichtig,
     überall, wo die Ökonomie blockiert ist,wo die
     Polizei neutralisiert ist, möglichst wenig Pathos in den Umsturz
     der Autoritäten zu stecken. Man muss sie mit gewissenhafter
     Lässigkeit und Spott absetzen.
     
    Der Dezentralisierung der Macht in unserer
     Zeit entspricht das Ende der zentralistischen Revolutionen. Es
     gibt schon noch Winterpaläste, aber die sind mehr für den Sturm
     der Touristen bestimmt als für den der Aufständischen. Man kann
     heutzutage Paris, Rom oder Buenos Aires einnehmen, ohne den
     entscheidenden Sieg davonzutragen. Die Einnahme von
     Rungis 24 hätte
     wahrscheinlich mehr Wirkung als die des Elysée-Palastes. Die
     Macht konzentriert sich nicht mehr an einem Punkt der Welt, sie
     ist diese Welt selbst, ihre
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