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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition)
Autoren: Edwin Klein
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Schreibtisch, griff zuletzt in die rechte Tasche seiner Winterjacke und erschrak. Mit spitzen Fingern zog er einige Geldscheine hervor. Zögernd sah er die drei Männer der Reihe nach an. In ihren Gesichtern bemerkte er Triumph und ein Höchstmaß an Zufriedenheit, als hätten sie es gewusst. Sie wussten es eben immer.
    »Na, was habe ich gesagt, Genosse Major?« meinte der Ältere der Blaumützen, wie man die Mitarbeiter des KGB wegen der auf die Vorgängerorganisation Tscheka zurückgehenden Kopfbedeckung nannte. Vertraulichkeit schlich sich in seine Stimme.
    Der Major verteilte die Scheine mit einem Stift auf dem Tisch.
    »Zweihundert Dollar.« Beiläufig erwähnte er den Betrag, als sei es für ihn keine Überraschung.
    »Ich ... ich weiß nicht, woher das ...«
    »Schnauze«, bellte der Ältere, der halbrechts hinter Alexander stand. »Du redest nur, wenn du gefragt wirst.«
    Schlagartig wurde Alexander die Ausweglosigkeit seiner Situation bewusst. Und da er sich im Gebäude des KGB befand, ihm in Sekundenschnelle all jene Gräueltaten gegenwärtig wurden, die man sich hinter vorgehaltener Hand über den sowjetischen Geheimdienst erzählte, überkam ihn Angst.
    »Ich weiß wirklich nicht ...«
    Alexander verspürte einen stechenden Schmerz im Rücken und stieß unwillkürlich einen Schrei aus. Er sackte zusammen, fiel auf den Boden und krümmte sich.
    »Nur, wenn du gefragt wirst«, hörte er den Älteren knurren.
    Der Major ging zum Telefon, wenig später kam ein Stenograph. Während sich der schlanke Offizier hinter den Schreibtisch setzte, eine dünne Aktenmappe aufschlug und unbeteiligt schien, übernahm es der Ältere, Alexander - er hatte sich wieder aufgerappelt, stand schief und presste eine Hand auf die schmerzende Stelle in der Nierengegend - zu verhören.
    »Name?«
    »Alexander Petrowitsch Gautulin.«
    »Geboren?«
    »Am 6. Oktober 1940.«
    »Hat er ja gerade Geburtstag gehabt. Wo?«
    »Sowchose 19, das ist bei Saratow.«
    »Also ein Wolgadeutscher, Verräter am Vaterland.«
    Alexander biss sich auf die Lippen. Das kannte er, solcherart hatte man ihn schon oft beschimpft. Eigentlich immer, wenn sich die Gelegenheit ergab, und daran mangelte es nicht. Unter Stalin, so war ihm berichtet worden, sei es noch schlimmer gewesen.
    »Beruf?«
    »Student an der Lomonossow-Universität.«
    »Was?«
    »Bergbau, im vierten Semester.«
    »Wohnsitz?«
    »Im Studentenheim der Universität.«
    »Und die Eltern?«
    »In Omsk.« Alexander reimte sich zusammen, der Ältere wollte wissen, wo seine Eltern wohnten. »Mein Vater ist tot.«
    »Nicht zu den Deutschen übergelaufen wie Tausende andere auch?«
    Alexander reagierte nicht auf die hämische Bemerkung. »Nein.«
    »Geschwister?«
    »Keine.«
    »Militärzeit, wo?«
    »Bei der Roten Armee, am Schwarzen Meer, Odessa und Krim. Im letzten Jahr Ukraine und vier Monate in der Deutschen Demokratischen Republik.«
    »Zurück zu den Anfängen, was?«
    Alexander schwieg.
    Der Ältere wandte sich an seinen Vorgesetzten. »Stimmen seine Angaben?«
    Der Major ließ einen Finger über das Papier huschen. Er schloss die Mappe, lehnte sich zurück und dozierte: »Fin Profi wird nie so dumm sein, sich bezüglich seiner Person eine Blöße zu geben.«
    Anschließend verfrachtete man Alexander in eine kalte, feuchte Zelle. Müde fühlte er sich und ausgelaugt, mit dunklen Gedanken und voller Zweifel, was seine Lage betraf. Er hatte seine Kleidung ausziehen und abgeben müssen, die jetzige war rau und kratzte und roch nach abgestandenem Schweiß. Gewaschen hatte man sie schon lange nicht mehr. Knöpfe gab es auch keine. Stand er auf, rutschte ihm die Hose herunter Beim Umherwandern musste er sie immer mit einer Hand festhalten.
    Alexander legte sich, nachdem er seine neue Umgebung inspiziert hatte, auf das schmale Holzbett und starrte die nackte Glühbirne an, bis seine Augen flimmerten. Dann drehte er sich zur Wand, kauerte sich zusammen und überlegte. Irgendwann schlief er ein.

    Immer wieder schaute er verstohlen neben sich. Ihm gefiel, was er sah, und ihm gefiel auch, was er roch. Zum ersten Mal nahm er einen solch ungewöhnlichen und für ihn aufregenden Duft wahr. Süß, aber nicht schwülstig oder schwer, mit einer unbekannten, herben Komponente.
    »Wollen Sie auch ein Stück?« fragte sie auf Russisch und lächelte. Silberpapier knisterte.
    Alexander nahm die angebotene Schokolade. »Danke. Leider habe ich dazu nicht oft Gelegenheit.«
    Sie stutzte. »Woher sprechen Sie so
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