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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition)
Autoren: Edwin Klein
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oder ihm zu dienen. Nur Hüte trugen sie nicht, das wäre aufgefallen.
    Als die Scheinwerfer eingeschaltet wurden und die Kameras zu surren begannen, verabschiedete er sich überhastet von Hellen. Während am Kopfende eines langen Tischs, den man mitten in der Hotelhalle aufgebaut hatte, ein Mitglied der sowjetischen Kommission aufstand und sich für den Besuch der Deutschen bedankte, umarmte er Hellen flüchtig, hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. Noch ein letzter Händedruck und ein Blick, der so unendlich viel versprach. Im Abwenden registrierte er, dass sie die Tränen zu unterdrücken suchte. Als sei er auf der Flucht, eilte er auf den Ausgang zu. Dort entstand leichtes Gedränge, er stieß mit einem Mann zusammen und vergaß sich zu entschuldigen. Nur weg von dem Hotel, weg von ihr, eine möglichst große Distanz zwischen sich und seine Geliebte bringen.
    Aber Alexander, der die Richtung zur Universität einschlug, kam nicht weit. Zwei Blaumützen stellten sich ihm an der nächsten Straßenecke in den Weg; brutaler hätte man ihn nicht mit der Wirklichkeit konfrontieren können.
    »Alexander Gautulin?«
    Er versuchte, seine Überraschung zu verbergen. Hatte er den einen nicht vorhin während des Spaziergangs gesehen?
    »Ja?«
    »Sie sind verhaftet.«
    Der Kleinere der beiden, zugleich auch der Ältere, hielt ihm kurz ein Stück Papier vors Gesicht, sein Kollege winkte ein wartendes Fahrzeug herbei. Die hintere Tür der schwarzen Limousine schwang auf, Alexander wurde hineingestoßen.
    »Weshalb bin ich verhaftet?« wagte er halbherzig den links neben ihm sitzenden Beamten zu fragen, obwohl er wusste, dass es am besten war, die Blaumützen in Ruhe zu lassen. Wie erwartet, erhielt er keine Antwort.
    Zwischen den Vertretern der Staatsorgane eingezwängt, schwieg Alexander und hoffte, alles würde sich als Verwechslung herausstellen. Als ob es jemals eine Verwechslung gäbe.
    Nach wenigen Minuten war ihm klar, sie würden ihn in die Dserschinskistraße bringen. Ein grauer, gedrungener Steinbau mit acht Geschossen und dicken Gesimsen tauchte auf, die Zentrale des gefürchteten und verhauten Geheimdienstes.
    Alexander erschrak und versuchte in den Gesichtern seiner Begleiter zu lesen. Stoisch, ohne Regung und wie gemeißelt kamen sie ihm vor. Keine Gesichter, sondern Masken im unermüdlichen Einsatz für den Sozialismus.
    Die Limousine rollte in den Innenhof und stoppte. Alexander wurde von den beiden Blaumützen in die Zange genommen und zu einer kleinen Tür geführt. Über eine Steintreppe gelangten sie in den zweiten Stock. Unbewusst registrierte er die hellgrün gestrichenen Wände des Korridors und den Parkettboden. Dort, wo man das Holz ausgebessert hatte, war es heller, und zwischen den Brettern klebte in dunklen Ritzen verkrustetes Wachs.
    Der Gang machte einen Knick, vor der übernächsten Tür blieb seine Eskorte stehen. Beide Männer nahmen die Mützen ab, ordneten ihre Kleidung, und der Jüngere klopfte vorsichtig an, als gelte es, niemanden zu stören.
    Ohne eine Antwort abzuwarten, dirigierte man Alexander in ein geräumiges Büro. Während seine Begleiter salutierten, sah er sich um: Auch hier die Wände hellgrün und Parkett auf dem Boden und an der Decke eine Lampe mit vier Auslegern, die Schirme von der Hitze gelbbraun gefärbt. Neben dem Fenster, es wies auf den Innenhof und war vergittert, ein alter Schreibtisch aus Eichenholz, gegenüber an der Wand ein klobiger Stahlschrank, der den Verschnörkelungen nach noch aus zaristischer Zeit stammen konnte. Oberhalb des Ungetüms hing ein Porträt des Ministerpräsidenten Nikita Chruschtschow. Wenn er lächelte, wirkte er trotz seiner großen Warze und der Zahnlücke sympathisch.
    Seitlich vom Fenster und mit dem Rücken zu Alexander stand ein Mann. Die Hände verschränkt, den Kopf leicht geneigt, schaute er hinaus und schien in Gedanken versunken zu sein.
    »Genosse Major, wir haben ihn.«
    Der Angesprochene, schlank und um die Vierzig, drehte sich langsam um. Trotz seines Ranges trug er keine Uniform.
    »Gab es Schwierigkeiten?« Er betrachtete Alexander und lächelte. »Nein, Genosse Major.«
    »Das ist gut. Habt ihr ihn schon durchsucht?«
    »Nein, Genosse Major. Sollten wir doch erst in Ihrem Beisein.«
    »Ach ja, richtig.«
    Der Major trat näher, umrundete Alexander und blieb hinter ihm stehen. Mit sanfter Stimme forderte er ihn auf: »Alexander Gautulin, bitte leeren Sie Ihre Taschen.«
    Alexander legte alles, was er bei sich trug, auf den
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