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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition)
Autoren: Edwin Klein
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schluckte. Mit tonloser Stimme fragte er: »Sie haben Ihrer Frau nichts von mir erzählt? Sie weiter in dem Glauben gelassen, ich sei ...«An Alexanders Schläfen schwollen unheilvoll die Adern. Jannings nickte.
    Alexander konnte Jannings nur anstarren, dessen Beweggründe gingen nicht in seinen Kopf. Ließ seine Frau einfach im Glauben, er sei tot, und das nach all den Versuchen und Bemühungen, die Hellen unternommen hatte, ihn im weiten Sibirien ausfindig zu machen.
    »Ich habe ihm auch nicht alles gesagt, Alexander«, schaltete sich Hellen ein. »Du warst für uns zeitweise tabu. Ich habe mich immer so aufgeregt, und Ingo hat darauf Rücksicht genommen. Jeder hat sich auf seine Weise mit dir beschäftigt, ohne es dem anderen mitzuteilen.«
    Nach einer Weile gab Jannings sich einen Ruck: »Im Prinzip führen wir wegen Ihnen auch keine Ehe.« Seine Stimme klang enttäuscht und matt, als er weiter sprach: »Nach außen hin bemühten wir uns, zuerst wegen Alexander und dann wegen unserer gesellschaftlichen Stellung. Hellen litt weniger darunter als ich.«
    Alexander reagierte, da sich sein Erstaunen allmählich legte, aggressiv: »Über all die Jahre hat Hellen also gedacht, ich sei tot. Und mein ... Alexander auch.«
    Kleinlaut antwortete Jannings: »Bitte verstehen Sie mich doch: Es sollte und durfte niemand wissen, auf welche Art ich mit Ihnen umgesprungen bin.«
    Alexander, dem plötzlich wieder danach war, in dieses verquollene Gesicht zu schlagen, griff sich an den Kopf. »Nein, das kann ich nicht verstehen. Das kann ich, weiß Gott, nicht verstehen.«
    Jannings begann mit seiner Rechtfertigungsrede. »Ich habe wesentlich früher mit Ihnen gerechnet, schon vor einigen Jahren, gleich nach dem Tod Ihrer Familie. Und als Sie nicht kamen, da sagte ich mir, seine Gefühle haben sich gelegt, es wird für ihn nicht so wichtig sein, sonst wäre er längst hier und hätte mir Hellen weggenommen. Und so hoffte ich weiter. Wenn Hellen gewusst hätte, dass Sie noch lebten, sie wäre sofort zu Ihnen gereist. Und genau das musste ich verhindern, ich liebte sie doch.«
    Jannings blieb für Alexander ein Rätsel. Er verehrte seine Frau abgöttisch und verschwieg ihr, dass ihr Geliebter, den sie für tot hielt, noch lebte. Gleichzeitig und quasi als moralische Rechtfertigung für seine ungeheuerliche Tat und Denunziation half er Alexander, mit Kurz gute Geschäfte zu machen. Und obendrein traf er sich auch noch mit Nikolai, zum letzten Mal wohl, als dieser kurz vor seinem Tod darauf bestanden hatte, allein nach Moskau zu reisen.
    Jannings meldete sich mit weinerlicher Stimme: »Ich wollte sie halten. Sie ist doch meine Frau.«
    Alexander wandte sich ab und ging hinaus, Hellen folgte ihm.
    Alexander wollte zur Diele, wo sein Koffer stand. Sie führte ihn ins Wohnzimmer. »Ingo hat meinem Sohn und mir gestern Abend alles erzählt. Ich verlasse ihn.«
    Alexander registrierte erst verspätet ihre Worte. »Du willst von ihm weg?«
    Hellen nickte.
    »Und wo
    Sie küsste ihn auf die Wange.
    »Doch nicht etwa mit mir ...?«
    Sie nickte.
    »Aber ich gehe nicht mehr zurück nach Sibirien.«
    Hellen schien es besser zu wissen. »Doch. Ich glaube schon. Du wirst gleich Besuch erhalten. Er hat dich im Hotel nicht angetroffen.«
    »Wer ist es denn?«
    »Warte es ab.«

    Der Besuch. Als Leiter einer Delegation war er zu schwierigen Verhandlungen über Kreditverlängerungen und westliche Aufbauhilfen in Bonn gewesen. Heute machte er extra einen Abstecher nach Essen, um Alexander zu treffen. Der Wirtschaftsminister von Russland und sein persönlicher Referent Kosyrew sprachen mehrere Stunden mit Alexander. Dann verabschiedeten sie sich. Die Männer sahen zufrieden und gelöst aus. Als sie ihre Hände ineinander legten, war das die Besiegelung eines Paktes.
    »Ja, ich gehe zurück.« Alexander war anzusehen, dass er diese Entscheidung herbeigesehnt hatte. »Ich gehe zurück.«
    Hellen hakte sich bei ihm ein und fügte, als sei das für sie selbstverständlich, hinzu: »Wir gehen zurück.«
    Ihr Sohn sah sie bestürzt an. Alexander nutzte die Gunst des Augenblicks und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich würde mich freuen, wenn auch du ...«
    Vater und Sohn - die gleichen Augen, der gleiche Blick. Beide versuchten im Gesicht des anderen zu lesen. Und lächelten plötzlich - als würden sie sich ... verstehen.
    Vielleicht hat Nikolai, als er vor vielen Jahren einen Nachfolger suchte, mich genauso angeschaut wie ich jetzt meinen Sohn,
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