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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition)
Autoren: Edwin Klein
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den dunklen See.
    Alexander Jannings hatte inzwischen den Hausarzt benachrichtigt. Er traf ein, untersuchte Jannings, diagnostizierte einen Nasenbeinbruch und eine Gehirnerschütterung. Er müsse sofort ins Krankenhaus. Jannings fügte sich, blieb kurz vor Alexander mit einem Ausdruck im Gesicht stehen, als wollte er sich entschuldigen.
    Aber Alexander registrierte die Bereitschaft nicht, er konnte all das nicht fassen. Die Entwicklung ging ihm zu schnell, lief an ihm vorbei. Jannings hatte ihn in Lagerhaft gebracht und gleichzeitig die Vaterrolle für seinen Sohn übernommen. Hellen ihn, Alexander, geliebt, trotzdem diesen Jannings geheiratet. Und sein Sohn würde nie vergessen, dass er Jannings so zugerichtet hatte.

    Er war mit Hellen allein, Alexander junior begleitete seinen Stiefvater. Immer wieder sahen sie sich an, und dann suchten sie nach den rechten Worten. Hellen hielt Alexanders Hand. Sie fühlte, dass er zitterte und sich verkrampfte.
    »Ich habe von all dem nichts gewusst. Ich meine, dass Ingo dir das Geld...«
    Alexander winkte ab. Er glaubte ihr.
    »Und er war sehr gut zu deinem Sohn, als sei es sein eigener.«
    Nichts mehr war von all der Wildheit zu spüren, als Alexander sie anschaute. »Das ist auch so ein Punkt, der mir zu schaffen macht. Dadurch kann ich ihn nicht mehr ...« Ihm fehlten die Worte. Er wollte hassen sagen, aber innerlich sträubte er sich dagegen.
    »Ich glaube, für Ingo war das die einzige Möglichkeit, sein Fehlverhalten wieder gut zumachen.«
    »Fehlverhalten?« Alexanders Oberkörper wippte. »Die Hölle war es. Die Hölle, sage ich dir. Und hier drinnen ist alles noch frisch, als sei es gestern gewesen. Hier drinnen.« Er klopfte sich gegen die Brust. »Und hier wird es auch bleiben. Unauslöschlich. Es ist Teil meiner selbst. In mir ist nur noch Hölle.«
    »Du hast einen Sohn.«
    »In mir ist nur noch ...« Er umklammerte Hellens Hand.
    »Unser Sohn. Freust du dich denn nicht?«
    »Er will nichts von mir wissen.«
    »Sag das nicht.«
    »Du hast es doch gehört: Er will nichts von mir wissen.«
    Hellen nahm ihn in die Arme und streichelte seinen Rücken. »Doch. Du kannst dir nicht vorstellen, wie oft ich Alexander von dir erzählen musste. Noch als er vor drei Wochen das letzte Mal zu Hause war, haben wir über dich gesprochen. Und er ist heute nur deinetwegen gekommen.«
    Alexander antwortete nicht. Ihm tat der Druck ihrer Hände gut, er fühlte sich geborgen.
    »Ingo hat gelitten. All die Jahre gelitten. Und wenn ich keine Kraft mehr hatte, dann war er es, der mich aufforderte, für dich tätig zu werden. Damals die Unterschriftenaktion ging auf seine Initiative zurück. Er hat all seine Beziehungen spielen lassen, um mir zu helfen, obwohl er wusste, dass ich dich liebte. Und trotzdem, Ingo war mir ein treuer Freund.«
    Jedes Wort, das Hellen sagte, schmerzte ihn, zugleich wuchs aber auch eine seltsame Beruhigung. Alexander fühlte sich hin und her gerissen.
    »Ingo hat wirklich gelitten, und nun weiß ich auch, warum. Ich möchte sein Verhalten nicht entschuldigen, so etwas kann man nicht entschuldigen. Aber miss einen Menschen nicht nur an den schlimmen Taten, an seinen Verfehlungen, sondern auch daran, wie er damit fertig wird. Und miss ihn besonders an der Einsicht.«

    In den kommenden zwei Tagen kam Alexander sich wie eingehäutet vor. Um sich herum glaubte er eine Hülle zu fühlen, die er nicht durchdringen konnte.
    Erschreckend war für ihn die Erkenntnis, wie wechselhaft sich seine Gefühle äußerten. Faust in der Tasche ballen, wenn er an die Geldübergabe im Hotel National in Moskau und die Folgen dachte, wurde abgelöst durch ein zufriedenes, geradezu übermütiges Schmunzeln. Immerhin war er Vater eines Sohnes. Urplötzlich stand ein siebenundzwanzigjähriger, ausgewachsener, kräftiger junger Mann vor ihm. Sein Sohn!
    Und in dieser Phase, in der Alexander sich neu definieren und seine Position überdenken wollte, besuchte ihn überraschend Friedhelm Kurz, mit dem er schon so viele Geschäfte in Sibirien abgewickelt hatte.
    Freudig begrüßte er ihn. »Mensch, was machen Sie denn hier in
    Essen?«
    Eisig kam die Antwort. »Ihnen mitteilen, dass unsere Partnerschaft beendet ist.«
    Alexander war konsterniert. »Wieso denn das?«
    »Sie Idiot.«
    »Moment mal. Was ...«
    »Sie dreimal bornierter und blöder Idiot.«
    Stirnrunzeln und Zurückzucken, das war Alexanders Reaktion. »Was erlauben Sie sich.«
    »Was erlauben Sie sich«, konterte Kurz. »Gehen zu
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