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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition)
Autoren: Edwin Klein
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Kaffee.
    »Willst du noch ein Stück Torte?«
    »Nein. Wo hast du den Film her?«
    »Vom Westdeutschen Rundfunk in Köln.«
    »Wie bist du darauf gekommen? Ich meine, woher wusstest du ...«
    »Eine Freundin hat mich damals kurz nach meiner Rückkehr aus Moskau darauf aufmerksam gemacht, dass ich für wenige Sekunden im Kino in einer Wochenschau zu sehen gewesen sei. Vor vielen Jahren habe ich mir eine Kopie von Film und Archivmaterial besorgt und beides später auf Video überspielen lassen.«
    Alexander war ungewohnt ruhig. Hellen sorgte sich um ihn.
    »Was hast du?«
    »Ich glaube, zuviel von deinem Kaffee getrunken.«
    Sie setzte sich zu ihm. Ihre Nähe erregte ihn, sein Atem ging schneller. »Am Wochenende kommt mein Sohn nach Hause. Kommst du uns besuchen?«
    Alexander zögerte mit der Antwort.
    »Bitte.«
    Immer noch zögerte er. Hellen berührte seine Hand, er zuckte zurück.
    »Was sagt denn dein Mann dazu?«
    »Er hat nichts gegen dich.«
    »Letztes Mal, unsere Unterhaltung, sie war sonderbar. Findest du nicht auch?«
    »Schon.« Sie umschloss seine Hand.
    »Wo hast du den Ehering getragen?«
    »Ich hatte keinen.«
    »Warum?«
    »Weil ich Schmuck nicht ausstehen kann.«
    »Aber das ist doch kein Schmuckstück.«
    »Egal. Auch Halsketten und ähnliches. Nur eine Armbanduhr. Seit meiner Lagerzeit kann ich Schmuck nicht ausstehen.«
    Sie nahm seine Hand und legte sie auf ihr Gesicht. Dann küsste sie die Innenfläche.
    Das Telefon klingelte, Jannings war am Apparat. Er ließ Grüße ausrichten. In zwei Tagen wisse er alles über seinen verschollenen Vater.
    »Na, wenn das kein Grund ist, uns am Samstag zu besuchen?« Alexander erhob sich.
    »Wie, du willst schon gehen?«
    »Ja. Ich muss noch in Sibirien anrufen«, log er.
    »Wir wollten doch noch etwas am See entlang spazieren.«
    »Tut mir leid. Darf ich mir die Videokassette bis zum Wochenende ausborgen?«
    Unschlüssig sah sie ihn an.
    »Wegen der Erinnerung. Kannst du das verstehen?«

    Jetzt könnte ich abreisen, ohne eine Nachricht zu hinterlassen, überlegte er. Das wäre unhöflich, aber für beide Parteien die beste Lösung. Eine Trennung für immer, ohne die Vergangenheit erneut zu berühren. Aber dann wäre ich ein Feigling. Nicht vor den Jannings, nicht vor Hellen, sondern vor mir. Und ich wäre unglaubwürdig obendrein, denn ich würde mich selbst verraten.
    Deshalb blieb Alexander, und er suchte am Wochenende wieder die Familie Jannings auf. Hellen entschuldigte sich für ihren Sohn, er komme etwas später Aber sie könnten doch schon mal mit dem Essen beginnen. Während sie ihn ins Speisezimmer führte: »Ingo hat Nachrichten von deinem Vater.« So, wie sie es sagte, konnte sich Alexander ausrechnen, wie sie lauteten.
    »Herr Koenen, es tut mir leid.« Jannings trat auf ihn zu und schüttelte ihm die Hand. »Ihr Vater ist meinem Wissensstand nach im Krieg gefallen. Schon 1942, in Russland. Es tut mir leid.«
    »Kann er nicht vermisst sein?«
    Jannings schüttelte den Kopf. »Niemand mit dem Namen Kurt Koenen ist noch vermisst. Inzwischen hat man alle Schicksale aufgeklärt. Es tut mir wirklich leid.«
    »Schon gut.« Alexander grübelte. Was hatte Steinmetz seinerzeit am Bratsker Staudamm zu ihm gesagt? Dass sein Vater, als er merkte, der Endsieg rückte in immer weitere Ferne, vielleicht die Identität eines Toten angenommen haben könnte?
    Jannings beschrieb, wie er an die Information gekommen war, aber Alexander hörte nicht zu. Als Hellen ihn ansah, sein kantiges Gesicht mit den schmalen Lippen bemerkte, da führte sie es auf die Nachricht zurück. Was sie irritierte, waren Alexanders Augen, wild und von einer ungewohnten Eindringlichkeit.
    »Ich habe dir die Videokassette mitgebracht.« Alexander legte sie auf den Tisch.
    »Welche Kassette?« wollte Jannings wissen.
    Hellen wurde sichtlich nervös. »Die Überspielung eines alten Wochenschaufilms aus Moskau.«
    »Kenne ich ihn schon?« Hellen schüttelte den Kopf.
    »Und warum nicht?«
    »Ich weiß nicht. Wird dich nicht interessieren.« Jannings Stimme wurde eine Nuance schärfer.
    »Hast du Geheimnisse vor mir?«
    Hellen verneinte.
    »Ich frage dich, was ist auf der Kassette?«
    »Das Hotel National, die Pressekonferenz, Alexander und ... ich.« Unruhig wanderten Jannings Augen zwischen den beiden hin und her.
    »Und das hast du mir vorenthalten?«
    Immer noch war das Wilde in Alexanders Blick, aber auch Unsicherheit. Warum hatte Hellen ihrem Mann den Film nie gezeigt? »Ich möchte ihn
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