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Der König von Sibirien (German Edition)

Der König von Sibirien (German Edition)

Titel: Der König von Sibirien (German Edition)
Autoren: Edwin Klein
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gut Deutsch?«
    »Meine Vorfahren sind Deutsche, und ich durfte eine Schule besuchen, in der man auch Deutsch unterrichtete.«
    Seine Nachbarin, aus ihrer Handtasche lugte eine westdeutsche Illustrierte, rückte etwas näher. »Ich heiße Hellen Birringer.«
    »Alexander Gautulin.«
    »Das klingt aber überhaupt nicht deutsch.«
    »Mein Vater war Russe.«
    Sie schwiegen eine Weile, denn der Direktor des sowjetischen Staatszirkus kündigte eine weitere Attraktion an. Ein Mann mit nacktem Oberkörper trat hinter dem roten Vorhang hervor, wie Wülste zeichnete sich seine Muskulatur ab. Er schleuderte eine Stahlkugel von der Größe eines Basketballs in die Luft, beugte den Rumpf schnell nach vorn und fing das polierte Metallding mit dem Genick auf. Danach mit der Brust, anschließend mit den Beinen und dann wieder hoch zur Brust.
    Ein Helfer kletterte auf ein Podest, wohl vier oder fünf Meter über dem Boden. Aus dieser Höhe ließ er die Kugel, er hatte Mühe, sie mit beiden Händen zu halten, nach unten fallen.
    Der kräftige Artist bückte sich blitzschnell mit ausgebreiteten Armen, und erneut landete die Kugel weich zwischen seinen Schulterblättern. Damit auch jeder mitbekam, wie schwer sein Jonglierinstrument war, ließ er es auf die hölzerne Umrandung der Manege donnern. Mit dem lauten Poltern setzte der Applaus ein.
    In der Pause lud Alexander seine Begleiterin, von der er in der Zwischenzeit erfahren hatte, dass sie einer deutschen Delegation angehörte, zu einer der fetten, im lauwarmen Wasser schwimmenden Würste ein, die im Vorraum angeboten wurden.
    Anschließend plauderte sie munter drauflos. Sie erzählte von Deutschland, er von seinem Studium, und sie vergaßen den Zirkus. Hellen hatte kein Interesse mehr an der Vorstellung und fragte Alexander, ob es denn nicht irgendwo ein typisches russisches Lokal oder etwas Ähnliches gäbe.
    »Wir feiern meistens zu Hause.«
    »Auch die Studenten?«
    »Ja. Oder in der Universität. Aber da ist jetzt schon alles geschlossen. Außerdem dürfen Frauen nicht ...«
    »Dann lade ich Sie in mein Hotel ein.«
    »In Ihr Hotel?« fragte er verwundert.
    »An die Bar. Zu einem Drink.«
    Noch nie hatte er eines dieser komfortablen Hotels, reserviert für die eigene hohe Politprominenz und ausländische Gäste, betreten. Schon von außen wirkten die riesigen Komplexe respekteinflößend. Meist im neoklassischen Stil errichtet, mit hohen Fenstern, dicken Mauervorsprüngen und wulstigen Einfassungen, waren sie eine Welt für sich, die nur wenige Auserwählte betreten durften. Rund um die Uhr von der Miliz bewacht und diskret vom KGB überwacht, schienen die staatlichen Einrichtungen ein idealer Ort zu sein, Besucher von der Bevölkerung abzuschirmen. Und umgekehrt. Staunend blickte Alexander sich in der großen Halle des Hotels National um, während seine Begleiterin auf eine Tür zusteuerte. Dämmrig war es in der Bar, auf jedem der kleinen runden Fische stand eine Lampe, deren kegelförmiger Lichtschein vom lackierten Holz reflektiert wurde. Alexander betrachtete neugierig die übrigen Besucher, soweit das die Beleuchtung zuließ.
    »Sind die alle aus dem Westen?«
    »Einige wenige kommen auch aus Ungarn.«
    Hellen wählte einen Tisch in der Ecke. Alexander setzte sich vorsichtig auf den zierlichen Stuhl mit der geflochtenen Sitzfläche und studierte die Karte; sie war in Englisch verfasst.
    »Was darf es sein?« fragte sie.
    »Bacardi Bitter Lemon. Was ist denn das?«
    »Probieren Sie es.«
    Die Getränke standen vor ihnen, und der Pianist, er hockte etwas erhöht auf einem Podest, entlockte dem Klavier die sanfte Tonfolge eines Blues. Als müsse er sich endlich Klarheit verschaffen, wollte er wissen: »Warum haben Sie mich überhaupt eingeladen?«
    »Weil ich mich mit Ihnen gut unterhalte.«
    »Ist das der einzige Grund?«
    Sie sah ihn an und saugte an ihrem Strohhalm. »Und weil es selten ist, jemanden zu treffen, der so ausgezeichnet Deutsch spricht.«
    »Viele Russen sprechen Deutsch.«
    Sie überging seinen Einwand. »Ich heiße Hellen.«
    »Alexander.«
    Sie prosteten sich zu, anschließend küsste sie ihn flüchtig auf den Mund. »Das gehört sich so, wenn man sich duzt.«
    Bevor er sich von der Überraschung erholen konnte, sagte sie: »Wollen wir tanzen?«
    Alexander, erstaunt über den abrupten Wechsel, nickte automatisch. Sie zog ihn auf die Tanzfläche und drückte ihren Körper an den seinen. Unwillkürlich verkrampfte er sich.
    Wieder zurück am Tisch, trat ein
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