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Mörderisches Musical

Mörderisches Musical

Titel: Mörderisches Musical
Autoren: Annette Meyers
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  Die
Gasse hinter dem Theater war feucht und gespenstisch still. Urin von
Generationen von Katzen und Menschen hatte Backsteine und Zement mit einem
bleibenden scharfen Gestank imprägniert. Wenn eine Show ausverkauft war,
bemerkte man ihn kaum, doch er wurde aufdringlich, wenn das Theater dunkel war,
und am schlimmsten war es bei Regen. Eine Feuerleiter hing an der Außenwand wie
ein blattloser Weinstock.
    Der Bühneneingang war verschlossen. Die ganze
Nacht über hatte ein scharfer Nordostwind mit Regenwänden und stürmischen Böen
die Stadt gepeitscht. Jetzt hatte sich das Wetter etwas beruhigt, doch unter
den eisigen Februarnieselregen mischten sich gelegentlich Graupeln.
    Carlos trat gegen die Stahltür. »Verdammt!« Er
war nervös, gespannt wie eine Sprungfeder.
    Der Regen trommelte auf ihren Schirm. Sie nahm
ihn in die rechte Hand und legte den Arm um Carlos’ Schulter. Die Inspizientin
der Produktion glänzte durch Abwesenheit. Dilla Crosby, nicht gerade liebevoll
als Killa Dilla bekannt, hätte ihnen den Bühneneingang aufschließen sollen. »Es
ist noch früh...«
    »Ich habe Dilla gesagt, daß ich sie früh hier
brauche — jetzt sieh dir das an, kein Portier, und Walt ist auch nicht da, um
Licht zu machen.« Carlos stampfte mit dem Stiefel in eine schmutzige Pfütze.
»Diese Undankbarkeit. Warum gebe ich mich überhaupt...?«
    »Weil du das alles liebst, und das weißt du
selbst am besten. Und du weißt auch, daß Killa Dilla dich nie im Stich läßt.
Bei all ihren Fehlem, sie schafft es immer...«
    »Für Mort. Sie schafft es für Mort. Und für mich
nur, wenn es ihr paßt. Oder wenn es Mort paßt.«
    Wetzon legte den Kopf schräg. »Aber, aber. Wer
ist denn diese paranoide Person? Gewiß nicht mein bester Freund Carlos.«
    Carlos schien einen Moment sprachlos, dann nahm
er sie in die Arme und drückte sie samt Schirm fest an sich. »Ich liebe dich,
Häschen, Schatz. Weißt du das?«
    »He!« Die Gestalt, die auf sie zukam, war halb
unter einem gewaltigen Regenschirm verborgen.
    »Na, siehst du, da ist sie ja.« Bevor Wetzon zu
Ende gesprochen hatte, bemerkte sie den Irrtum: sie kannte Dilla von früher,
und die Gestalt unter dem Schirm war nicht Dilla.
    »Das ist nicht Dilla, Dummerchen. Das ist Phil
Terrace. Assistenzinspizient und vielseitig einsetzbarer Laufbursche. Und den
kennst du nicht.« Carlos trat unter Wetzons Schirm vor, um sich unter Phils zu
stellen. Noch eine Gestalt patschte durch den Schneematsch auf sie zu. »O gut.
Da kommt Walt. Gott sei Dank, dann machen wir uns keines gemeinsamen Vergehens
schuldig.«
    »He, wen haben wir denn da.«
    Walt Greenow war ein Hüne, gebaut wie ein
Footballspieler. Mit den Jahren waren seine Schultern weicher geworden; um die
Hüfte hatte er sich einen altmodischen Rettungsring zugelegt. »Leslie, richtig?«
Sein schütteres braunes Haar war jetzt mit Grau durchsetzt. Trotz seiner Größe
hatte Wetzon Walt als lieben, gutmütigen Kerl in Erinnerung. Er hatte im Lauf
der Jahre alles gemacht: Requisiteur, Elektriker, Zimmermann. Er strahlte übers
ganze Gesicht. »Habt ihr den Killa gesehen? Ich war schon einmal hier, aber sie
war nicht zu sehen.« Er hielt einen Schlüsselring hoch. »Ich mußte die
Ersatzschlüssel von den Shuberts holen. Sie sagen, sie hat die Schlüssel letzte
Nacht nicht abgegeben.«
    Phil machte ein besorgtes Gesicht. »Ich weiß
nicht.« Phil Terrace war ein ernster junger Mann mit feuchten Augen und einem
dunklen spärlichen Bart. Die schwarze Fischermütze verbarg sein Haar. »Wir
sollten uns um elf hier treffen, um die Bühne zu markieren. Sie muß verschlafen
haben.«
    Wetzon schüttelte den Kopf. »Killa Dilla? Das
kann ich mir nicht denken. Es sei denn, sie hätte sich radikal verändert.«
    »Hat sie nicht«, versicherte Carlos.
»Wahrscheinlicher ist, daß Mort ihr etwas Dringendes aufgetragen hat, einen
Milkshake für ihn holen oder so, verdammt noch mal.«
    »Hallo, Schatz!«
    »Morgen allerseits.«
    »Herrlicher Tag, Jungs!«
    Drei junge Frauen kamen, mit übervollen
Umhängetaschen und Schirmen kämpfend, durch die Gasse auf sie zu. Daß sie
Tänzerinnen waren, konnte man kaum übersehen. Sie trugen ihre Strumpfhosen,
Legwarmers und weichen flachen Stiefel mit einer gewissen Lässigkeit, die Füße
auswärts gesetzt, der Gang leicht watschelnd. Während Wetzon sie beobachtete,
spürte sie einen scharfen Stich des Neides.
    Eine fragte: »Warum stehen wir hier draußen im
Regen?«
    »Das klingt mir wie ein
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