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Mörderisches Musical

Mörderisches Musical

Titel: Mörderisches Musical
Autoren: Annette Meyers
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Bewußtsein gedrungen.
    Wetzon wollte den Gang hinunter auf die Bühne
zugehen, dann hielt sie inne. Phils dumpfe Schritte hallten durch das modrige
Theater wie das Klopfen eines Geistes. »Phil, warten Sie«, rief sie, als sie
die Stimme wieder fand. »Jemand — Carlos — Walt muß die 911 anrufen. Holt die
Polizei.« Sie schwankte, verlor beinahe das Gleichgewicht, fing sich und lief
dann Phil nach, den Gang hoch an den Stehplätzen vorbei. »Phil, nichts
anfassen!«
    Am oberen Ende der Treppe zum Rang rutschte sie
und blieb stehen. Die Stelle war dürftig beleuchtet. Es stank nach Tod und allem,
was damit verbunden war. Und Phil war verschwunden. Sie hörte Stimmen von der
Bühne. Jemand schluchzte. »Phil!« Ihre Stimme klang dünn, doch dieses alte
Theater verfügte über eine vorzügliche Akustik, und ihr Ruf trug durch das
leere Haus.
    Ihr hob sich der Magen, und sie begann am ganzen
Körper zu zittern. Sie ging zur Treppe zurück, setzte sich hin und legte den
Kopf auf die Knie.
    »O Gott!« Phils Stimme. Dann Würgelaute.
    Soviel, dachte Wetzon kläglich, zu einem
unberührten Tatort. Sie hörte jemanden hinter ihr stolpern, raffte sich auf und
fragte: »Ist es Dilla?«
    Phils Gesicht war kreidebleich. Er hatte seine
Mütze verloren; Schweißtropfen standen auf seiner Stirn und Oberlippe. An
seiner Hand war Blut, und er roch nach Erbrochenem. »Verdammt«, brachte er
mühsam heraus. »Verdammt, verdammt, verdammt. Jemand hat ihr den Schädel
eingeschlagen.« Er taumelte, zusammenhanglos plappernd, die Treppe hinunter.
    »Phil? Ist es Dilla?« Doch Wetzon redete mit der
Luft. Phil war wieder verschwunden. Sie stand auf, aber anstatt
hinunterzugehen, trat sie langsam in den Mittelgang.
    Blut färbte den Teppich mit dem Rosenmuster
schwarz um das obere Ende der Treppe. Es durch tränkte einen Stapel alter
Programmhefte, die jemand hinter dem ersten Sitz liegengelassen hatte. Der Läufer
auf den Stufen hinunter zum Rand des Ranges wies eine Spur von schwarzen Rosen
auf, die zu einer unförmigen Masse am Fuß der Treppe führte. Mist, Phil hatte
sie von der Stelle bewegt.
    Wetzon preßte die Lippen aufeinander. Wie hatte
es Dilla bis hinunter in die vorderste Reihe und halb über die Brüstung
schaffen können, da sie hier oben schon soviel Blut verloren hatte? Es sei
denn, sie wäre noch am Leben gewesen... Wetzon senkte den Kopf und wich zurück.
    »Häschen!«
    Als sie sich abrupt umwandte, verlor sie beinahe
wieder das Gleichgewicht, stolperte über die oberste Stufe und griff nach der
Wand; ihre Hand war klebrig und hinterließ einen roten Fleck. Carlos kam die
Treppe herauf. »Halt«, keuchte sie. »Es ist...schlimm.« Sie holte ihn ab, und
zusammen gingen sie, sich gegenseitig stützend, hinunter. Phil kauerte auf der
untersten Stufe, den Kopf in den Händen.
    »Es ist Dilla, nicht?« Nur mit Mühe brachte
Carlos die Worte heraus.
    »Wer könnte es sonst sein?« Wetzon strich sich
fast ärgerlich das Haar aus dem Gesicht. Es war über ein Jahr her, seit sie es
nach dem Vorfall, den sie Schuß-frei-auf-Wetzon-Affäre nannte, hatte
abschneiden müssen, und es brauchte eine Ewigkeit, bis es so weit nachgewachsen
war, daß sie es zu ihrem alten Ballerinaknoten aufstecken konnte.
    »Und ich habe sie zum Teufel jagen...mein Gott!«
Carlos blickte auf Phil hinunter und tätschelte seine Schulter. »Walt muß den
Bühneneingang im Auge behalten.«
    »Ist er offen?«
    »Ja. Jemand hat einen Schlüssel im Schloß
abgebrochen und sie blockiert.« Carlos kniete vor Phil und berührte die Hände,
die immer noch dessen Gesicht verbargen. »Komm, Phil«, sagte er sehr zart.
»Komm mit.«
    Phil rieb sich die Augen mit den Fäusten und
unterdrückte ein Schluchzen. Er stand auf, die Augen mit Blut umrandet wie ein
teuflischer Vampir, und folgte Carlos und Wetzon wortlos.
    »Mort dreht durch, wenn er...«
    Carlos kam nicht dazu, zu Ende zu sprechen. Mort
Hornberg, der hochgeschätzte Regisseur von Hotshot: The Musical, polterte
aus der Seitenkulisse auf die Bühne. Die Frau neben ihm kannte Wetzon nicht.
Ihnen folgten Sam Meidner, Komponist und Dichter, und JoJo Diamond, der
Dirigent, noch schlampiger, als Wetzon ihn in Erinnerung hatte, und als letzte
Aline Rose, Textbuchautorin.
    Mort war in heller Aufregung.
    Wetzon, Carlos und hinter ihnen Phil gingen
apathisch den Mittelgang hinunter auf die Bühne zu. Wetzon sah Carlos’ Tänzer
in der ersten Reihe sitzen, flüsternd und raschelnd, die Köpfe hin und her
bewegend.
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