Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mörderisches Musical

Mörderisches Musical

Titel: Mörderisches Musical
Autoren: Annette Meyers
Vom Netzwerk:
Stichwort«, sagte
Carlos, wirbelte Phils Schirm herum und trat mit einem weichen Stepschritt à la
Gene Kelly in eine Pfütze.
    »Scheiße! Irgendein Idiot hat da was
reingesteckt.« Walt holte einen Miniwerkzeugkasten aus der Innentasche seines
abgetragenen hellbraunen Regenmantels und machte sich an dem Schloß zu
schaffen. »Allmächtiger, diese alten Schlösser...«
    »Ich probiere es am Vordereingang.« Phil lief
weg.
    » Muß das sein?« Carlos richtete einen
flehenden Blick zum trüben Himmel und ließ den Regen auf sein Gesicht fallen.
»Was geht hier vor, Walt?«
    »Kommt her! Es ist offen!« Sie blickten alle zum
Eingang der Gasse, wo Phil ihnen zuwinkte.
    Hinter Phil warteten die drei jungen Tänzer, die
Carlos’ Truppe komplett machten, und alle zusammen stapften im Platzregen zur
45. Street, zur Vorderseite des Hauses. Eine unbeleuchtete Anzeigetafel, noch
mit der Ankündigung der letzten Show, die ein Flop gewesen und vor acht Wochen
abgesetzt worden war, hing wie eine düstere Warnung über dem Eingang.
    Wetzon fröstelte. Es war immer gruslig, die
Überbleibsel des Vergangenen zu sehen...beinahe als wäre das Begräbnis vorbei,
doch die Kleiderschränke des Toten müßten noch aufgeräumt werden. Die Kasse war
dunkel, obwohl wahrscheinlich schon ein Kassenleiter eingesetzt war. In gut
einem Monat würden die Voraufführungen beginnen. Das Kassenpersonal am Broadway
bestand normalerweise aus einem Kassenleiter, einem Stellvertreter und ein oder
zwei anderen, je nach Erfolg der Show. Sie alle verkauften Eintrittskarten und
beantworteten telefonische Anfragen, doch die besondere Verantwortung für die
Abrechnung trug der Kassenleiter.
    Gegenüber, wo man die Nachmittagsvorstellungen
vorbereitete, zeichneten die Neonlichter an den Anzeigetafeln des Golden für Falsettos und des Plymouth für The Song of Jacob Zulu verschwommene
Anpreisungen in den Regen. Wenn sie die Augen zusammenkniff, konnte sie gerade
noch das Martin Beck sehen, wo die Wiederaufnahme von Guys and Dolls ein Riesenerfolg war. Sam‘s neben dem Imperial und bevorzugtes
Hamburgerrestaurant des Broadwayvölkchens, ging glänzend im Mittelpunkt dieser
ganzen Betriebsamkeit.
    Phil hielt die Mitteltür auf. Sie zogen die
nassen Schirme hinter sich her und marschierten in das dunkle Haus.
    »Walt, schalte die Lampen an. Ich bringe Mort
um, weiß Gott«, sagte Carlos zu Wetzon. »Eigentlich sollen wir alles teilen,
und er vereinnahmt Dilla völlig. Um jede Minute, die ich bekomme, muß ich
kämpfen.«
    Sie traten bei den Orchestersesseln ein, und die
Bühnenbeleuchtung flammte auf. Das Theater sonderte einen Geruch nach Moder und
altem Schimmel ab.
    Drinnen wurde Carlos merklich vergnügter. »Auf
geht’s, Jungs und Mädchen. Ich möchte nur eine einzige winzige Änderung
durchgehen.« Er schwang sich auf die Bühne, ein schlanker, eleganter Mann in
einem schwarzen seidenen Rollkragenpullover unter einem schwarzen
Ledertrenchcoat.
    Wetzon, die ihn beobachtete, kam zu dem Schluß,
daß er sich seit ihrer gemeinsamen Zeit beim Theater nicht sehr verändert
hatte. Vielleicht hier und da ein Fältchen in seinem hübschen Gesicht. Ein
wenig Grau an den Schläfen. Er war ein lieber Mensch, und sie waren seit über
fünfzehn Jahren eng befreundet. Sie hatte seinen Weg zum Choreographen
begleitet, und er hatte sie das Tanzen ganz aufgeben gesehen. Zu seinem
Entsetzen war sie zusammen mit Xenia Smith in den Headhunterberuf an der Wall
Street eingestiegen. »Ich warte hier...« Wetzon blieb vor dem Orchestergraben
stehen.
    »Du könntest auf die Bühne kommen, Häschen. Ich
brauche nicht lange.«
    »Nee.« Falls sie die Füße auf die Bühne stellte,
fürchtete Wetzon, würde sie vielleicht wieder auf Zehenspitzen über den
Broadway schweben wollen. Sie lachte laut auf, und Carlos warf ihr einen
boshaften Blick über die Schulter zu.
    Phil setzte die Mütze ab und schlug sie gegen
seine Jeans, um sie abzutrocknen. Der Assistenzinspizient hatte eine hohe
Stirn, die den Beginn vorzeitiger Kahlheit erkennen ließ, und einen Schopf aus
krausem Haar. Verlegen strich er sein Haar glatt und setzte die Mütze wieder
auf. »Ich kümmere mich lieber um das Markieren.« Er fragte mit einem Blick um
Erlaubnis.
    »Okay...klar...nur zu, Phil.« Carlos’
Aufmerksamkeit galt den Tänzern und seiner Arbeit.
    Wetzon stand einen Moment da und starrte in die
trostlose Orchestergruft — hoppla, dachte sie, wo hatte sie ihre Gedanken?
Orchestergraben. Eine braune
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher