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Intruder 1

Intruder 1

Titel: Intruder 1
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Erster Tag
    Es hatte die Erfüllung eines Jugendtraums werden sollen: Born To Be Wild in den Kopfhörern, das dumpfe Grollen einer Harley zwischen den Schenkeln und das endlose graue Band der Route 66 vor dem Lenker - aber zumindest dieser erste Tag hatte alles aufgeboten, um zu einem glatten Albtraum zu werden.
    War es überhaupt noch der erste Tag?
    Wahrscheinlich nicht.
    Mike gähnte, hob den linken Arm und sah auf die Uhr, doch die Zeiger verschwammen ebenso wie der Rest der
    Ankunftshalle vor seinen Augen. Und selbst wenn es anders gewesen wäre, hätte es ihm nicht viel gebracht: Er hatte die Uhr auf dem Flug quer über den Atlantik und anschließend noch einmal über einem Gutteil des nordamerikanischen Kontinents viel zu oft umgestellt, um noch ein echtes Zeitgefühl zu haben. Er schätzte, dass sie alles in allem seit vierundzwanzig Stunden unterwegs waren, und das bedeutete, dass er jetzt seit mindestens sechsunddreißig Stunden auf den Beinen war. Seine Augen brannten. Sein Herz schlug so schwer und hart, als wäre er die gesamte Strecke von Chicago bis nach Phoenix gelaufen statt geflogen. Und das Allerschlimmste war: Er war ganz allein daran Schuld, dass er sich am ersten Tag seines so lang herbeigesehnten Urlaubs so miserabel fühlte wie schon seit Monaten nicht mehr.
    Mike gähnte erneut, fuhr sich mit beiden Händen durchs Gesicht und wartete darauf, dass das Sammelsurium von Koffern, Reisetaschen und anderen Gepäckstücken auf dem verchromten Rondell vor ihm endlich weiterlief.
    Das Gepäckband war vor gut zehn Minuten mit einem Geräusch zum Stehen gekommen, über das er lieber nicht nachdachte, und hatte sich seither um keinen Millimeter bewegt. Sein Gefühl sagte ihm, dass es sich auch in den nächsten drei oder vier Stunden nicht mehr bewegen würde.
    Was auch sonst?, dachte er resigniert. Murphys Law besagte schließlich, dass alles, was schiefgehen konnte, auch schiefging. Wenn er sich richtig erinnerte, war Ed Murphy Captain der amerikanischen Airforce gewesen. Nun, erstens waren sie hier in Amerika, und zweitens waren die Amerikaner dafür bekannt, es mit ihren Gesetzen ganz besonders genau zu nehmen.
    Er verscheuchte den Gedanken. Ihm war nicht nach Spott zumute, und den Moment, in dem er sich noch in Sarkasmus retten konnte, hatte er schon vor ein paar Stunden hinter sich gelassen. Es war irgendwo in Chicago gewesen - seinem Gefühl nach auf der anderen Seite der Galaxis - und wahrscheinlich ziemlich genau in dem Augenblick, im dem ihm Frank die Lautsprecherdurchsage übersetzt hatte, die den verspäteten Abflug ihres Anschlussfluges nach Phoenix verkündete. Aus der halben Stunde waren eine ganze, dann zwei und schließlich fünf Stunden geworden, in denen sie auf unbequemen Plastikstühlen gesessen und darauf gewartet hatten, dass es endlich weiterging.
    Überhaupt war auf dem Flug alles Erdenkliche schief gegangen.
    Abgesehen von einer Flugzeugentführung und einem Absturz waren sie in den Genuss des vollen Katastrophenprogramms gekommen. Es hatte damit angefangen, dass sie bereits in Düsseldorf gut anderthalb Stunden verspätet eingecheckt hatten. Danach hatte die Maschine, quasi um im gleichen Rhythmus zu bleiben, fast zweieinhalb Stunden auf dem Rollfeld gestanden, bevor endlich die Startfreigabe vom Tower gekommen war. Warum, hatten sie nie erfahren.
    Die drei Stewardessen, die Frank, Stefan und er unabhängig voneinander nach dem Grund der Verzögerung gefragt hatten, hatten ihnen drei vollkommen unterschiedliche und ebenso beruhigend wie unglaubwürdig klingende Antworten gegeben.
    Schließlich hatten sie es aufgegeben. Irgendwann war es dann endlich losgegangen und der Flug ...
    Nein, er wollte lieber nicht mehr daran denken. Die absolute Krönung war der Kaffee gewesen, den er irgendwo in der Mitte des Atlantiks bekommen hatte. Bekommen, aber nicht getrunken. Er hatte geschlagene fünf (fünf!) Mal nach der Stewardess geklingelt, und als sie ihm endlich den Kaffee serviert hatte, war dieser kalt gewesen und hatte nach etwas geschmeckt, worin man sich höchstens die Hände waschen konnte - vorausgesetzt, man legte nicht allzu viel Wert auf Hygiene. Zwei Minuten später hatten die Piloten die Boeing zielsicher in ein Luftloch gesteuert und etliche Meter weit durchsacken lassen, zusammen mit den Sitzen, den Passagieren, die darauf saßen, und der Kaffeetasse in seiner Hand. Der Kaffee war oben geblieben - ungefähr eine Sekunde lang, dann war er der Tasse gefolgt, hatte sie aber
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