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Der Koenig geht tot

Der Koenig geht tot

Titel: Der Koenig geht tot
Autoren: Kathrin Heinrichs
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ja schließlich auch das Tanzen. Deshalb habe ich ihn ziemlich gedrängt.« »Siehst du, ich habe im Grunde gar nichts damit zu tun«, erklärte ich.
    »Und was hat das mit dem Versprechen auf sich?« wollte Alexa wissen. Sie hatte die Arme vor ihrem Körper verschränkt und sah nicht gerade aus, als würde sie noch an unsere gemeinsame Silberhochzeit glauben.
    »Also, mit dem Versprechen ist das so–«, Max fing wieder notorisch an zu stottern, »-daß Doris’ Vater kurz drauf auf dich zugekommen ist und dich um etwas gebeten hat.«
    Um Gottes Willen, hatte ich im Suff ein Heiratsversprechen gegeben? Es war schlimmer.
    »Du hast ihm zugesagt, daß du heute beim Schützenfest mit Doris im Hofstaat mitmarschierst.«
    Die Stille, die nun folgte, hatte es in sich. Max schaute zu Boden, Alexa starrte mich an, ich selbst betete, daß sich ein Ozonloch über mir auftun würde, in das ich entschwinden konnte.
    »Das kann nicht sein!« brachte ich schließlich heraus.
    »Glaub mir, ich mache keine Scherze« flüsterte Max. »Ich bin sicher, bei Doris zu Hause laufen seit Stunden die Vorbereitungen, um aus ihr die allerschönste Hofstaatdame zu machen. Letztes Jahr hatte Doris einen festen Freund, mit dem sie im Hofstaat gegangen ist. Aber die beiden haben sich getrennt und jetzt fehlt Doris kurzfristig ein Begleiter, obwohl sie als direkte Nachbarin des Schützenkönigs unbedingt dazugehört. Na, und da hat sich Doris’ Vater eben an dich gewandt …«
    Mir schwante das Schlimmste. »Wer ist denn Doris überhaupt? Wie sieht sie aus?« fragte ich vorsichtig.
    Max zögerte. »Nun, sie ist schwer zu beschreiben. Also, auf einer Skala der Bäcker- und Konditoreninnung würde sie zwischen türkischem Fladenbrot und Frankfurter Kranz wohl als Marzipantörtchen laufen.« Ich schluckte kräftig. Jetzt schaltete sich Alexa ein:
    »Um wen geht es denn nun? Welche Doris ist gemeint?«
    »Doris Ratzbach.«
    »Doris Ratzbach? Die Doris Ratzbach?« Alexas Stimme war ziemlich schrill. Dann löste sie sich. Alexa fing an zu lachen. Alexa prustete, sie schüttelte sich vor Lachen. Und dann fing auch noch Max an. Max, der sonst nur in Ausnahmesituationen richtig laut lachte, bog sich vor Lachen. »Doris Ratzbach!« Es schien keine witzigere Vorstellung zu geben, als daß ich mit Doris Ratzbach im Hofstaat durch die Gegend marschierte. Ich hockte in meinem Bett so belämmert wie ein mit Bier begossener Schützenvogel, während meine Partygäste sich vor Vergnügen krümmten. Wenn ich das meinen Kölner Freunden erzählte, würde mir kein Mensch glauben. Gut, ich war ins Sauerland gezogen, um den Schülern am Elli Geschichte und Deutsch beizubringen. Aber daß ich nach gut drei Monaten in einem sauerländischen Schützenzug mitmarschieren würde, in einem Dörfchen mit dreiundzwanzig Häusern – das würde man mir einfach nicht glauben. Niemals.
    Entschlossen stand ich auf und stolzierte ins Bad.
    »He, wo willst du hin?« fragte Max glucksend hinter mir her.
    »Ich gehe jetzt duschen, und dann mache ich mich schön – für Doris!« fauchte ich.
    Auch unter dem allerstärksten Wasserstrahl war das Lachen noch zu hören.

2
    Das Kneifen des Anzugs war einfach unerträglich. Ich überlegte, was unerträglicher war. Der Anzug, den ich mir von Max geliehen hatte und der eindeutig zwei Konfektionsgrößen zu klein war, oder Doris, die mich seit genau zwei Stunden unentwegt zuquatschte. Doris war nicht doof. Doris war nicht einmal unhübsch. In der Kategorie der Sahnetorten war sie durchaus ansprechend: drall, mit einer rundlich-sahnigen Frisur und roten Wangen.
    Unerträglich an Doris war einzig, daß sie nicht eine Minute lang den Mund halten konnte. Doris arbeitete als Maniküre, was ihren dicklichen, ultramanikürten Fingern leicht anzusehen war. Was Doris als Maniküre so alles erlebte, hatte sie mir in den letzten Stunden erzählt, ohne auch nur ein winziges Detail in einer der Geschichten zu unterschlagen. Ich war fertig mit den Nerven. Doch es sollte alles noch schlimmer kommen.
    Als Hofstaat waren wir gerade beim Schützenkönig abgeholt worden und eine Nebenstraße langmarschiert, als wir unter den Klängen zackiger Marschmusik auf Stichlingsens Hauptstraße abbogen. So schlimm hatte ich es mir nicht vorgestellt. Die Leute standen in Dreierreihen am Straßenrand und jubelten uns zu. Wir als Hofstaat waren natürlich der Höhepunkt des Schützenzuges. Elke, die Schützenkönigin, trug ein hellgelbes Spitzenkleid mit Reif rock, das
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