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Der Koenig geht tot

Der Koenig geht tot

Titel: Der Koenig geht tot
Autoren: Kathrin Heinrichs
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trat eine Gruppe angetrunken gröhlender junger Leute herein, die, soweit die Koordination dies zuließ, Arm in Arm eine Schlange bildeten. Ich quetschte mich hindurch, nicht zuletzt weil ich hoffte, noch einen Blick auf Wilfrieds Gesprächspartner werfen zu können. Doch ich war viel zu spät dran. Als ich aus den Toilettenkatakomben nach oben geeilt kam, war nur noch eine einheitlich feiernde Festmasse zu sehen. Trotz dieses Gewusels erspähte ich Max, der mir aus einem Pulk heraus zuwinkte.
    »Alles klar?« brüllte er, als ich bei ihm war.
    »Weiß nicht!« murmelte ich. Aber meine Antwort hatte eh keiner gehört. Max reichte mir ein Glas. Und das Bier war wieder unverschämt kühl und erfrischend. Vom Spülwasser war nun gar nichts mehr zu schmecken. Gar nichts mehr.
    Ich stöhnte wieder. Das hatte ich nun davon. Hier lag ich nun, halbtot durch eigenes Verschulden, ohne einen klaren Gedanken fassen zu können. Nein, nicht ganz. Der einzige Gedanke, zu dem ich in der Lage war, war der Entschluß, das Bett an diesem Tag auf gar keinen Fall zu verlassen. Resolut zog ich mir die Decke über den schmerzenden Kopf. Mein Plan ließ sich nicht lange aufrechterhalten. Es klingelte an der Tür. Zweimal, viermal, zehnmal. Beim elften Klingeln war ich mir sicher, daß mein Kopf kein weiteres Geräusch vertragen konnte. Ich schleppte mich zur Tür und betätigte den Summer. Es war Alexa. Taufrisch eilte sie die Treppe herauf, als sei heute der Tag ihrer Einschulung. Zwei Meter hinter ihr folgte Max, etwas weniger frisch.
    »Es geht mir schlecht!« sagte ich krächzend, als sie oben waren.
    »Das wollten wir gar nicht wissen!« antwortete Alexa und schob mit dem Fuß ein paar Handtücher zur Seite, um freien Eintritt in meine Wohnung zu haben. Ich grunzte und marschierte auf mein Bett zu. Nie wieder würde ich einmal gefaßte Entschlüsse brechen! Nie wieder würde ich die Tür öffnen, auch wenn es hundertmal schellte! Ich ließ mich auf mein Bett fallen. Alexa setzte sich neben mich. Max lehnte sich an den Schreibtisch, die Hände in den Hosentaschen.
    »Habt ihr euch zusammengetan, um mich besser quälen zu können?« fragte ich in blaffendem Tonfall.
    »Nööö, wir haben uns nur ganz zufällig vor der Tür getroffen«, antwortete Alexa. »Dabei hatte ich Gelegenheit, von eurem gestrigen Ausflug zu hören. War‘s schön?«
    »Und wie!« raunzte ich, während ich mich in Liegeposition fallen ließ. Zur Strafe schossen wieder Stiche in meine Schläfe.
    »Daß du noch die Ruhe hast, im Bett zu liegen!« merkte nun Max an. Ich wurde den Eindruck nicht los, daß er ein süffisantes Grinsen auf dem Gesicht trug. »Es scheint mir, du hast nicht allzu viel Kondition. Liegt vielleicht an deiner rheinischen Herkunft. Das Stichlingser Schützenfest geht jedenfalls heute weiter. Und morgen findet mit dem Vogelschießen erst der richtige Höhepunkt statt.«
    »Na, dann wünsche ich ihnen viel Spaß, den Stichlingser Schützen!« brummte ich und schloß die Augen.
    »Ich fürchte–« Max druckste etwas herum. »Ich fürchte, daß du dich aus dem Festverlauf nicht so ganz einfach ausklinken kannst.«
    Ich blickte ihn verwundert an. »Was hab ich mit deren Schützenfest zu tun? Schlimm genug, daß ich mich gestern abend habe breitschlagen lassen, an diesem mörderischen Vergnügen teilzunehmen. Damit ist mein Bedarf aber auch für zehn Jahre gedeckt.«
    »Ich kann dich ja verstehen«, murmelte Max. Ich merkte, daß er etwas auf dem Herzen hatte, das etwa vierzig Kilo zuviel wog. Ich wußte nur nicht, ob ich das überhaupt hören wollte. Max faßte sich ein Herz. »Vielleicht erinnerst du dich nicht mehr so genau. Aber du hast gestern, als die Stimmung am besten war, ein Versprechen gegeben.«
    »Ein Versprechen?« Alexas Ohren explodierten wie zwei Airbags.
    »Nun, erinnerst du dich noch an Doris?«
    »Doris?« Alexas und meine Frage kamen wie aus einem Mund.
    »Ich hab keine Ahnung, wer Doris ist!« verkündete ich in Alexas Richtung. »Glaub mir, ich habe nicht den geringsten Schimmer!«
    »Immerhin hast du mit ihr getanzt!« plapperte Max, wohl um meinen Untergang auf immer und ewig zu besiegeln.
    Alexa war ganz aus dem Häuschen: »Getanzt? Ich denke, du tanzt grundsätzlich nicht. Mit mir hast du noch nie tanzen wollen.« Ihre Stimme überschlug sich fast.
    »Im Grunde war es ein bißchen meine Schuld«, räumte Max betreten ein. »Ich wollte Vincent alle Facetten des saarländischen Schützenfestes näherbringen. Und dazu gehört
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