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Der Koenig geht tot

Der Koenig geht tot

Titel: Der Koenig geht tot
Autoren: Kathrin Heinrichs
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dem Tode entronnen ist. Alexas Antworten hörte ich nur mit einem Ohr, während ich Robert und seiner Geschichte ein drittes Mal zuhörte. Offensichtlich telefonierte meine Liebste mit ihren Eltern.
    »Natürlich kommen wir gern«, hörte ich Alexa in den Hörer sagen.
    »Nein, nein, Vincents Urlaub verschiebt sich um eine gute Woche nach hinten. Er und sein Freund sind etwas angeschlagen und fahren deshalb später. Nein, nichts Ernstes, ganz bestimmt nicht, Mama.«
    Robert und ich sahen uns verwundert an. Was mußte eigentlich passieren, damit man Alexas Mitleid erregte?
    »Ich würde dann sagen, wir sehen uns am Sonntag gegen Mittag«, fuhr Alexa fort und strahlte mich an. »Ja, natürlich, wir freuen uns. Besonders, weil doch am Wochenende bei euch Schützenfest ist.«

43
    Ich weiß auch nicht, warum ich so nervös war. Schließlich hatte es ja irgendwann kommen müssen. Das gehörte dazu, und ich hatte es ja auch wirklich gewollt. Es war an sich schon peinlich, daß ich Alexas Eltern noch nie persönlich kennengelernt hatte. Schließlich waren wir seit fast drei Monaten zusammen, und Alexas Eltern wohnten ja gar nicht weit, nur zwanzig Kilometer entfernt in einem kleinen Dörfchen im Hochsauerland. Nun saß ich also hier an diesem überdimensionalen Eichentisch, an dem in früheren Tagen die ganze Familie Platz genommen hatte und an dem ich heute Alexas Eltern kennenlernen sollte. Herrn und Frau Schnittler hatte ich inzwischen die Hand geschüttelt. Alexas Mutter hatte meinen Blumenstrauß mit der Bemerkung entgegengenommen, die seien ja fast so schön wie die aus ihrem Garten, und Herr Schnittler hatte noch vor einer Begrüßung gefragt, welchen Wein ich zum Essen bevorzuge. Jetzt warteten wir nur noch auf Alexas Oma, die aber, wie im Sauerland üblich, nicht »Oma« hieß, sondern »Ommma«, mit mindestens drei »m«. Ommma bewohnte zwei Zimmer des Hauses und sollte natürlich am Essen teilnehmen. Alexas vier Geschwister waren nicht dabei. Alexa meinte, daß ihre Eltern und Ommma fürs erste genügen würden. Ich konnte das nur bestätigen, nachdem Ommma sich zu uns gesellt hatte.
    »Sie sind also der Verlobte von unserer Alexa«, begrüßte sie mich. Alexa sank in ihren Stuhl.
    Hatte ich es mit einer Verbündeten von Schwester Gertrudis zu tun? Ich druckste herum.
    »Verlobt, Gott, eigentlich–«
    »Sind Sie katholisch?«
    Ich schluckte die Frage herunter, wann denn der letzte Protestant im Dorf verbrannt worden sei.
    »Mutter, Herr Jakobs unterrichtet sogar an einer katholischen Schule«, versuchte Alexas Mutter zu vermitteln.
    »Ach, wirklich?« Ommmas Augen blickten beinahe wohlwollend, während sie sich auf ihrem Stuhl am Kopfende des riesigen Eichentisches niederließ.
    Alexas Vater goß mir inzwischen Rotwein in ein Glas, das ich bis dahin für eine Blumenvase gehalten hatte. »Wir müssen doch anstoßen!« rief er vergnügt und griff nach seinem Glas. »Auf unsere Alexa, würde ich sagen!«
    »Unsinn!« sagte Alexa patzig. »Lieber auf euch!«
    »Nein, auf Herrn Jakobs!« meinte Alexas Mutter aufgeregt.
    »Also, ich–«
    »Wann willst du denn nun endlich heiraten?« fragte Ommma plötzlich an Alexa gewandt. Ihr Vater trank einen kräftigen Schluck Rotwein. Alexa rutschte beinahe unter den Tisch.
    »Na, dann guten Appetit!« wünschte ihre Mutter und reichte mir die Schüsseln. Es gab Rehbraten, Kartoffeln und Rosenkohl, außerdem Apfelkompott. Es sah alles sehr lecker aus, und ich hätte gerne zu essen begonnen. Alexas Vater erzählte von der Jagd, auf der er das Reh geschossen hatte. Nebenbei goß er mir ständig das Weinglas nach.
    Alexas Mutter blickte besorgt: »Sie essen ja gar nichts, schmeckt es Ihnen bei uns nicht?«
    »Ganz bestimmt. Es ist nur–«
    Ommma unterbrach mich: »Na, da wirst du ja noch Spaß mit kriegen, Alexa. Wenn der Junge gar nichts ißt, da macht das Kochen aber keinen Spaß.«
    »Nicht doch!« versuchte ich. »Ich esse wirklich fast alles. Ich müßte nur–«
    »Der Junge kann doch gar nichts essen« unterbrach Alexas Vater, »wenn ihr ständig auf ihn einredet. Laßt ihn doch mal in Ruhe! Dann wird das schon werden.«
    »Ich glaube, ich habe das Falsche gekocht« sagte Frau Schnittler betrübt. »Und ich dachte noch: Lieber Rind oder lieber Reh? Aber diese ganzen Rehbraten müssen ja auch mal weg. Die liegen ja schon Ewigkeiten in der Truhe. Und mein Mann bringt ständig neue mit nach Hause.«
    »Sie haben gar nichts falsch gemacht!« versicherte ich. »Ich würde direkt
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