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Der Koenig geht tot

Der Koenig geht tot

Titel: Der Koenig geht tot
Autoren: Kathrin Heinrichs
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alles aus, obwohl er gar nicht in Bedrängnis ist. Und das alles nur, damit auch der dümmste Fernsehzuschauer weiß, wie das Verbrechen abgegangen ist. Doch plötzlich tritt die Wende ein. Der Jäger gewinnt die Oberhand, der Täter wird überwältigt, die Fernsehzuschauer sind zufrieden.«
    »Ja, so passiert es meistens«, sagte ich leichthin. »Allerdings bin ich kein Experte. Aufgrund zahlreicher Korrekturen sitze ich zur besten Krimizeit meistens am Schreibtisch.«
    Osterfeld lachte lauthals. »Soll ich Ihnen was sagen? Im Grunde sind Sie mir sympathisch. Ganz ehrlich!«
    »Vielleicht könnten Sie Ihre Sympathie dann etwas freundlicher zum Ausdruck bringen?«
    »Wenn wir uns unter anderen Umständen kennengelernt hätten, würde ich das gerne tun. Aber die derzeitigen Umstände lassen leider nicht zu, daß ich uns die Möglichkeit zum besseren Kennenlernen einräume.«
    Ein Themenwechsel schien mir dringend nötig. Das Gespräch schien sich in eine Sackgasse zu bewegen, die Osterfeld zum Handeln zwang. Eigentlich schien er ja reden zu wollen – sei es, weil er stolz auf die Perfektion seines Handels war oder weil er sich auf irgendeine Weise zu einer Rechtfertigung genötigt sah.
    »Sie wollten mich eben wissen lassen, warum Sie ein solch gesteigertes Interesse am Tod Wilfried Königs hatten!«
    Osterfeld lachte. »Sie sind hartnäckig, nicht wahr? Sie wollen alles genau wissen. Ein typischer Lehrer, würde ich sagen. Nun, Sie sollen Ihren Willen bekommen! Ich war dumm genug, König in geschäftlichen Dingen mein Vertrauen zu schenken. Das war ein großer Fehler!«
    »In geschäftlichen Dingen, die nicht ganz astrein waren, nehme ich an?«
    »Das ist Anschauungssache. Wie Sie ja schon wissen, habe ich vor acht Jahren das Unternehmen in Döbern aufgebaut, ein Riesen-Projekt mit 18.000 qm Produktions- und Lagerflächen. Die Auftragslage entwickelte sich zwar gut, doch hatten wir uns trotz großzügiger Unterstützung des Landes bei den Baukosten verschätzt. Kurz: Wir gerieten finanziell unter Druck und sahen nur eine einzige Möglichkeit, uns gegen die billige Konkurrenz aus dem Osten zu wehren: Personalkosten senken. An diesem Punkt hat sich die räumliche Nähe zu Polen als Glücksfall erwiesen. Es gelang uns, eine nächtliche Sonderschicht zu organisieren *- ausschließlich mit polnischen Arbeitern, die keine Arbeitserlaubnis hatten. Was ursprünglich nur für einen kurzen Zeitraum geplant war, ging letztlich bis zum Ende vergangenen Jahres. Dann wurden die Kontrollen auf Schwarzarbeit drastisch verstärkt, und ich zog es vor, die Schicht einzustellen.«
    Da lag also der Hase im Pfeffer. Osterfeld hatte durch Einsatz von illegal Beschäftigten erhebliche Kosten gespart.
    »König übernahm zeitweise die Produktionsleitung vor Ort. Irgendwann kam er leider auf die Idee, diese Sache gegen mich verwenden zu wollen. Und das, obwohl ich ihm für den Job einen Extrapreis bezahlt hatte.«
    »Loyalität ist in Ihren Kreisen Ehrensache, nicht wahr?« provozierte ich.
    Osterfeld ließ sich nicht provozieren. »Da haben Sie vollkommen recht, Herr Jakobs. König hat seit der Lehre für mich gearbeitet, und ich habe ihn immer anständig bezahlt. Sein Verhalten entbehrte daher jeder Anständigkeit.«
    »Entspricht es Ihrer Einschätzung von Anständigkeit, Ausländer für ein paar Mark die Stunde auszunutzen?«
    »Mir ist völlig klar, daß Sie als Lehrer keinen Schimmer vom Wettbewerb haben. Sie bekommen monatlich Ihr Beamtengehalt aufs Konto überwiesen und können so natürlich gut Sprüche klopfen.«
    »Herr Osterfeld, Sie haben ein Problem mit Lehrern!«
    »Nein, die Lehrer haben ein Problem mit mir«, verkündete der Fabrikant, der sich nun etwas erregte. Diese Entwicklung konnte ich nicht unbedingt als positiv bezeichnen.
    »Ich hab es auf der Schule weiß Gott nicht einfach gehabt«, erzählte Osterfeld aufgebracht. »Ich habe schon im Betrieb geholfen, als andere noch in die Windeln machten.« Großzügig überging ich diese Übertreibung. »Ich habe malochen müssen, sobald ich von der Schule nach Hause kam. Oder meinen Sie, Osterfeld wäre immer eine solche Firma gewesen wie heute? Ich selbst habe sie erst zu dem gemacht, was sie heute ist.«
    »Ich verstehe.«
    »Sie verstehen gar nichts. Meinen Sie, es hätte mir Spaß gemacht, daß meine Geschwister in aller Ruhe ihr Abitur machen konnten?«
    »Das heißt, Sie wollten den Betrieb gar nicht übernehmen?«
    »Natürlich wollte ich den Betrieb übernehmen!«
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