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Der Koenig geht tot

Der Koenig geht tot

Titel: Der Koenig geht tot
Autoren: Kathrin Heinrichs
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hätten wir ihn doch von der Vogelstange wegtragen müssen. Peinlich wär das gewesen, nichts als peinlich.«
    »Du brauchst mir diesen ganzen Summs nicht noch ein zweites Mal vorzujammern, hörst du?«
    »Ja, das kann ich mir vorstellen. Aber an dem Sonntag, da hast du gesagt, ich solle dem Wilfried mal eine deftige Abreibung verpassen, weil er ja noch mehr für Unruhe sorgen wollte – weil er die Sache mit Döbern an die große Glocke hängen wollte.«
    »Und? Stimmte das etwa nicht?«
    »Wilfried war mein Neffe. Ich habe ihn gemocht, auch wenn ich ihn seit diesem Flittchen nicht mehr verstehen konnte. Kannst du dir vorstellen, wie mir zumute war, als ich nachher an der Halle ankam und die Polizei war schon da? Ich hätte doch nicht im Traum gedacht, daß mein Stoß ihn umgebracht hat. Ich hab gedacht, der bleibt nur liegen, weil er besoffen ist. Und dann bin ich in den Wald gegangen, um mich abzuregen. Kannst du dir vorstellen, wie es mir ging, als ich dann hörte, der Wilfried ist tot. Tot – von mir?«
    »Geh jetzt nach Hause, Gerhard! Ich habe selber genug Probleme am Hals. Sieh selber, wie du aus dem Schlamassel herauskommst!«
    »Das hast du aber letzte Woche nach ganz anders gesagt, Johannes. Du warst es doch, der wegen Jürgen Hebel auf mich zugekommen ist. Du hast mir doch erzählt, Hebel wolle gegen mich aussagen und könne mich damit ins Gefängnis bringen. Und du hast mir geraten, den Hebel aus dem Weg zu schaffen! In Wirklichkeit hattest du doch das größte Interesse an Hebels Tod! Und zwar weil er gegen dich noch viel mehr in der Hand hatte! Weil er, genau wie Wilfried, über die Schwarzarbeit im Osten Bescheid wußte!«
    »Du weißt aber doch, daß Hebel den Schützenverein betrogen hat. Er hat sich an uns vergangen, und wer könnte darüber mehr entrüstet sein als wir beide?«
    »Du hast mich ausgenutzt! Du hast mir erzählt, du würdest die Firma hier dichtmachen und ab nach Polen gehen, wenn weiter irgendwelche Probleme auftauchen! Du hast mir erzählt, daß Sebastianus auseinanderbrechen würde, wenn all die unsauberen Geschichten publik würden. Du hast gesagt, wir tun das alles nur für unsere Heimat und den Verein und …« Streiter brach beinah in Tränen aus.
    »Verschwinde, Gerhard, und verschone mich mit deinen merkwürdigen Unterstellungen!« Osterfelds Stimme war merklich nervös geworden. »Verlasse jetzt meine Firma und tritt mir nie wieder unter die Augen! Denn auf eins kannst du Gift nehmen: Egal, was du den Leuten erzählst: Dir wird niemand glauben, daß ich jemals mehr mit dir zu tun hatte, als daß ich dir anständigerweise am Monatsende deinen Lohn aufs Konto überwiesen habe. Aber trotzdem warne ich dich! Du kennst meine Beziehungen. Wenn du es wagst, irgend jemandem meinen Namen zu nennen, dann zerquetsche ich dich zwischen meinen Fingern wie eine Stubenfliege, das kannst du mir glauben!«
    »Du hast mich benutzt, Johannes! Dir ging es gar nicht um Stichlingsen und um den Verein! Du hast mich immer nur benutzt!«
    Eine Tür schlug zu. Gerhard Streiter war gegangen.
    Mein Herz schlug immer noch wie wild. Ich hatte es hier mit einem Mörder zu tun oder mit zweien oder wie auch immer. Was war mit Max los? Er brauchte sicher dringend Hilfe. Ich preßte mich an die Wand. Streiter würde jeden Moment aus dem Gebäude treten und mich entdecken. Dann war alles aus. Dann würde ich als weiterer Zeuge umgebracht werden. Ich überlegte nicht länger, sondern kroch ein paar Meter am Gebäude entlang. Ein Fenster war hier noch einen Spaltbreit offen.
    Ich drückte es nach innen. Es mußte das Nachbarbüro zu Osterfeld sein. So leise es bei aller Aufregung ging, kletterte ich hinein und lauschte. Vier Sekunden später hörte ich Schritte. Ich hockte mich in eine Ecke. Streiter rannte im Laufschritt am Fenster vorbei. Sein Gesicht war rot und verschwitzt, als hätte er einen Marathonlauf hinter sich. Er stolperte in sein Auto und fuhr ab. Ich atmete einen Moment auf. Doch jetzt mußte etwas geschehen. Max war in allergrößter Gefahr. Ich überlegte nicht lange. Auf dem Schreibtisch stand ein Telefon. Ich mußte sofort die Polizei verständigen. Dann hielt ich einen Moment inne. Ich konnte jetzt unmöglich lange Erklärungen abgeben. Als ich den Hörer abnahm, kam ein schnelles Tuten. Ich wählte eine Null vor, das Freizeichen kam. Zum ersten Mal im Leben liebte ich Alexa für ihr Handy, das mich sonst in allen möglichen Situationen nervte. Hektisch wählte ich ihre Nummer. Sie war sofort
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