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Der Koenig geht tot

Der Koenig geht tot

Titel: Der Koenig geht tot
Autoren: Kathrin Heinrichs
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richtig hinzusehen, ein auf seinem Rechner verfaßtes Geständnis.«
    »Und am Abend ist Hebel dann wirklich gekommen?« hakte ich nach, um Osterfeld im Redefluß zu halten.
    »Natürlich kam er. Er brauchte ja das Geld. Zu seiner Sicherheit hatte er lediglich sein Handy mitgebracht. Leider eine ziemlich langwierige Art, um Hilfe zu holen. Alles Weitere kann ich Ihnen leider nur aus zweiter Hand erzählen. Statt meiner ist nämlich netterweise Gerhard Streiter zum Ort des Geschehens gegangen, in der Tasche eine alte Pistole, die ich mir mal unter der Hand in Polen besorgt habe. Natürlich war Streiter fürchterlich aufgeregt. Er ist schließlich alles andere als ein Killer. Doch ich konnte ihm begreiflich machen, daß allein er diese Aufgabe meistern könne, da er im Gegensatz zu mir Erfahrungen mit Waffen habe.«
    »Ist er Jäger?«
    »Genau. Außerdem ist er Schießmeister gewesen, als es im Verein noch die Schießsportabteilung gab.«
    »Ich verstehe!«
    »Streiter hat alle meine Ratschläge befolgt: Er hat aus nächster Nähe geschossen, um einen Selbstmord simulieren zu können. Er hat Handschuhe getragen und nach dem Schuß dem toten Hebel die Waffe in die Hand gedrückt, um Fingerabdrücke zu hinterlassen. Dabei hat er sogar einen zweiten Schuß gelöst, damit an Hebels Hand Schmauchspuren nachweisbar sind. Die Waffe hat er in die Nähe des Toten gelegt, so als wäre sie ihm aus der Hand gefallen.«
    Ein teuflischer Plan. Erdacht von Johannes Osterfeld, ausgeführt von Gerhard Streiter.
    »Die ganze Sache hat wunderbar geklappt«, lobte ich meinen Gastgeber, als könnte ich damit ein für allemal seine Zuneigung gewinnen.
    »Die Sache hätte wunderbar geklappt, wenn ich nicht einen solchen Idioten wie Gerhard Streiter hinzugezogen hätte«, berichtigte Osterfeld. »Er hat sich durch seine Dummheit ins Aus manövriert. Leider wird er jetzt die ganze Schuld auf sich nehmen müssen.«
    »Und letztlich wird alles wieder ganz wunderbar aussehen«, vervollständigte ich. »Sie werden Ihr Bundesverdienstkreuz bekommen, Friederike Glöckner wird ganz phantastisch singen, und nach kurzer Zeit kräht kein Hahn mehr nach den unliebsamen Ereignissen, die dereinst in Stichlingsen im Sauerland passierten.«
    »Genauso habe ich mir das vorgestellt.«
    Ich hätte meiner Rede nicht einen solch finalen Charakter geben sollen. Jetzt stand Osterfeld nämlich auf, als wolle er die Sache zu einem wirklich gelungenen Ende bringen.
    »Es gibt nur eine Sache, die noch erledigt werden muß«, erklärte er. »Mit Ihnen als Zeugen wird nicht alles so glatt laufen, wie ich mir das erhoffe. Die Welt wird deshalb in Zukunft ohne Sie auskommen müssen.«
    »Das wäre sehr bedauerlich«, erklärte ich trotzig und kletterte auf die Palette vor mir. Es erschien mir besser, mich von oben zu verteidigen, anstatt mich hier in die letzte Ecke drängen zu lassen. Allerdings stand ich auf der Palette mit Obstkisten nicht allzu sicher. Der Untergrund war etwas wacklig.
    »Erinnern Sie sich, was ich vorhin über das klassische Ende eines Kriminalfilms sagte?« Osterfeld näherte sich vorsichtig, ohne mich auch nur eine Zehntelsekunde aus dem Blick zu verlieren.
    »Meinen Sie das klassische Ende, bei dem der Gejagte am Ende die Oberhand gewinnt?«
    »Genau das! Ich erwähnte hoffentlich, daß ich damit das idealisierte Ende meinte, bei dem die Zuschauer auf eine kindlich-naive Weise befriedigt werden wollen. Das Gute soll gewinnen, auch wenn es noch so unrealistisch anmutet.« Inzwischen erkletterte Osterfeld ebenfalls eine Palette und kam wieder auf meine Höhe.
    »Ich kann nicht behaupten, daß mir ein solches Ende gänzlich zuwider wäre«, meinte ich und griff erneut nach einer Obstkiste. Ich traf Osterfeld damit am Oberkörper. Ich hatte den Eindruck, er merkte es nicht einmal. Seine Bewegungen waren jetzt wieder wie bei einem geschmeidigen, kraftvollen Tier, das sich unaufhaltsam seiner Beute nähert. Ich versuchte klar zu denken. Osterfeld war etliche Jahre älter als ich. Warum sollte ich ihm im Zweikampf auf diesem Gerüst nicht gewachsen sein? Wahrscheinlich war es seine unbesiegbare Haltung, die mich in diese fast lähmende Angst versetzte. Osterfeld war jetzt noch ganze zwei Meter entfernt. Ich riß ein Bandeisen hoch. Polternd fielen ein paar Obstkisten in die Tiefe und zerschmetterten auf dem Betonfußboden. Mit der Linken hielt ich mich am hinteren Eisenträger fest, rechts umklammerte ich das Bandeisen und schlug zu, sobald Osterfeld in
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