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Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Rebecca Gablé
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einmal war, mehr sogar. Das und nicht weniger seid Ihr ihr schuldig.«
    Jonah schüttelte entschieden den Kopf. »Das sagt Ihr immer wieder gern. Ganz gleich, ob in Bezug auf die Gilde oder die Stadt. ›Durham, Ihr könnt nicht immer nur nehmen, Ihr müsst auch zurückgeben.‹ Und das habe ich getan. Aber jetzt schaudere ich, wenn ich daran denke, was es mir eingebracht hat.«
    Der Gildemeister hob mahnend einen Zeigefinger. »Nicht wahr? Niemand ist durch eine Rufmordkampagne so verwundbar wie ein Kaufmann. Wir sind reich und mächtig und vielleicht sogar im Begriff, den Adel in mancherlei Hinsicht aus seiner Vormachtstellung zu verdrängen, obwohl wir gar nicht wollen – einfach dadurch, dass die Krone immer abhängiger von uns wird, das Land ohne uns nicht mehr regieren und keine Kriege ohne uns mehr führen kann. Aber das weckt zwangsläufig Neid und Missgunst, und wir haben es bislang versäumt, uns hinreichend zu schützen.«
    Jonah dachte darüber nach. Dann räumte er unwillig ein: »So ist es.«
    Greene nickte triumphierend. »Nur unsere Organisationen können uns diesen Schutz gewährleisten. Das heißt, die Gilden und die Städte. Und nur wenn sie stark sind. Genau das ist es, was Ihr dieser Stadt schuldet, Master Durham: Macht sie stark. Keiner von uns hat so viel Einfluss bei Hofe wie Ihr, und erzählt mir nicht, daran hätte sich irgendetwas geändert. Kein zweiter Mann in dieser Stadt ist so reich und so mächtig wie Ihr. Ihr könnt Macht, Reichtum und Einfluss nutzen, um Euch und Eure Familie zu stärken, dann seid Ihr genauso ein gewissenloser Schuft wie William de la Pole und könnt eines Tages mit ihm in der Hölle um Flint und Schwefel feilschen. Oder Ihr stellt sie in den Dienst dieser Stadt.«
    Die Sheriffs nickten feierlich und sahen den Kandidaten erwartungsvoll an.
    Jonah schwieg lange, um Greenes Überzeugungskraft und die Wirkung seiner Worte zu schmälern. Dann sagte er betont leise: »Das Problem ist nur das: Ich will dieses Amt nicht. Ich bin nicht der Richtige. Ich weiß die Ehre überhaupt nicht zu schätzen, die diese Stadt mir erweist.«
    Greene lachte leise, und ein Kranz zahlloser kleiner Falten bildete sich um die alten, klugen Augen. »Das macht nichts, mein Sohn. Denn diese Stadt weiß Euch zu schätzen.«
    Jonah verschränkte trotzig die Arme und stieß hörbar die Luft aus. »Sir, ich wäre wirklich dankbar, wenn Ihr endlich aufhören wolltet, mich so zu nennen.«

London, August 1349
     
    D ie ersten Tage seiner neu entdeckten Freiheit hatte Rupert Hillock in einer Art euphorischem Rausch verlebt. Er war noch Kaufmann genug, um zu überlegen, wo sein Geld am längsten reichen würde, und so endete er schließlich in The Stews. Er trank, er hurte, er prügelte sich mit Seeleuten aus aller Herren Länder und hatte einen Heidenspaß. Ihm war vage bewusst, dass er in Wahrheit nur versuchte, seinen Schmerz zu betäuben, seinen ohnmächtigen Zorn darüber, dass er alles, aber auch alles verloren hatte, was er je an guten und bedeutsamen Werten besessen hatte: ein Heim, eine Familie, einen Namen, eine Identität. Aber er ließ nicht zu, dass dieser Schmerz ihn niederdrückte, sondern feierte seinen Untergang in ausschweifender Tollheit. Bis ihm das Geld ausging.
    Erst jetzt erkannte er, welch ein furchtbarer Ort London für diejenigen war, die nichts besaßen, wie unbarmherzig es seinen Bettlern die kalte Schulter zeigte. Es gab weit weniger Suppenküchen und Armenspeisungen, als er angenommen hatte. Teilweise lag es natürlich daran, dass viele Klöster ihre Pforten geschlossenhatten, weil alle Brüder oder Schwestern vom schwarzen Tod dahingerafft worden waren. Der eigentliche Grund war jedoch, wurde ihm klar, dass die Männer, die in dieser Stadt herrschten, die Glücklosen und Gestrandeten für arbeitsscheues Gesindel hielten, das nichts Besseres als sein Elend verdiene. Und Rupert hatte selber sein Leben lang so gedacht, glaubte es im Tiefsten seines Innern immer noch, obwohl er jetzt auf der anderen Seite stand.
    Trotzdem hatte er Hunger. Er streifte über den Obst- und Gemüsemarkt vor St. Paul in der Hoffnung, vielleicht hier und da etwas abstauben zu können, aber die Gärtner der feinen Leute, die hier ihre Überschüsse feilboten, hüteten ihre Waren mit Argusaugen und jagten jeden davon, der zu lange um ihre Stände herumlungerte, ohne zu kaufen. Vor der großen Kirche sah Rupert Krüppel, magere Kinder und alte Frauen mit ihren Bettelschalen. Der Anblick machte ihn
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