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Der Koch

Der Koch

Titel: Der Koch
Autoren: Martin Suter
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Kellnerin brachte.
    Auch etwas, das er nächstens abschaffen würde, das Theater mit den Cloches, dachte Huwyler, bevor die junge Frau mit jeder Hand einen Messingknopf ergriff und die silbernen Glocken lüftete.
    »Mariniertes Makrelenfilet auf seinem Fenchelherzbett mit Bärlauchsabayon«, verkündete sie.
    Keiner der beiden Herren blickte auf seinen Teller, beide hatten nur Augen für die Frau, die sie gebracht hatte.
    Nur Huwyler starrte auf die Bärlauchsabayon, die als grüner Schleim den ganzen Tellerboden bedeckte.
     
    Andrea hatte sich an die Wirkung gewöhnt, die sie auf Männer ausübte. Meistens war sie ihr lästig, nur ab und zu fand sie sie praktisch und bediente sich ihrer. Vor allem, wenn es darum ging, eine Stelle zu finden. Was oft vorkam, denn ihr Aussehen machte es ihr nicht nur leicht, eine Stelle zu finden. Es machte es ihr auch schwer, sie zu behalten.
    Sie war noch keine zehn Tage im Huwyler, und schon gab es diese kleinen Rivalitäten in der Küche und im Service, die sie so gut kannte und die ihr so zum Hals heraushingen. Früher hatte sie versucht, darauf mit fröhlicher Kumpelhaftigkeit zu reagieren. Aber das hatte jedes Mal zu Missverständnissen geführt. Inzwischen gab sie sich unterschiedslos distanziert. Das trug ihr den Ruf der Hochnäsigkeit ein. Womit sie aber gut leben konnte.
    Und auch damit, dass diese beiden Säcke anstatt den Teller sie anstarrten. Vielleicht entging ihnen so, dass die Makrelenfilets in ihrer Bärlauchtunke aufweichten.
     
    »Als seine Frau noch da war, war das Essen besser«, bemerkte Dalmann, als er wieder mit seinem Gast allein war.
    »Hatte sie sich auch um die Küche gekümmert?«
    »Nein, aber er mehr.«
    Van Genderen lachte und ließ sich den Fisch schmecken. Er war die Nummer zwei eines internationalen Unternehmens mit Sitz in Holland, eines der wichtigsten Zulieferer der Solarindustrie. Mit Dalmann traf er sich, weil der ihm gewisse Kontakte vermitteln konnte. Eine von Dalmanns Spezialitäten - Kontakte vermitteln.
    Dalmann war vor ein paar Wochen vierundsechzig geworden und trug die Spuren eines Geschäftslebens, in welchem das Kulinarische immer ein entscheidendes Überzeugungsmittel gewesen war: ein wenig Übergewicht, dem er mit einer Weste etwas Form zu geben versuchte, Tränensäcke unter den wässrigen blassblauen Augen, schlaffe, über den Backenknochen immer etwas gerötete, grobporige Gesichtshaut, schmale Lippen und eine mit den Jahren immer sonorer gewordene Stimme. Von seinem gelbblonden Haar war nur ein Halbkranz geblieben, der im Nacken über den Hemdkragen reichte und seitlich in zwei dichte, halblange Koteletten überging, vom gleichen graumelierten Gelb wie seine Brauen.
    Dalmann war schon immer das gewesen, was man heute einen Networker nennt. Er pflegte systematisch Beziehungen, vermittelte Geschäfte, gab Tipps und bekam welche, brachte Leute zusammen, sammelte Informationen und gab sie selektiv weiter, wusste, wann schweigen und wann reden. Und davon lebte er, und zwar ziemlich gut.
    Im Moment schwieg Dalmann. Und während Van Genderen in seinem gurgelnden Holländerdeutsch auf ihn einsprach, beobachtete er unauffällig, wer an diesem Abend sonst noch alles im Huwyler war.
     
    Die Medien waren vertreten durch zwei Mitglieder der Unternehmensleitung eines der großen Verlagshäuser (mit Damen), das in letzter Zeit durch rigorose Sparmaßnahmen aufgefallen war. Die Politik durch einen etwas in Vergessenheit geratenen Parteipolitiker mit seiner Gattin und zwei jüngeren Ehepaaren, Parteifreunden wohl, die im Auftrag der Parteileitung einen Jahrestag des Seniors feiern mussten. Die Medizin glänzte durch die Anwesenheit eines Klinikdirektors mit einem Chefarzt im ernsten Gespräch. Am Nebentisch speiste ein hoher Funktionär eines kriselnden, zur Zeit sponsorlosen Fußballclubs mit dem Finanzchef eines Versicherungskonzerns, beide in Begleitung ihrer Gemahlinnen. Sonst saßen da: ein Autoimporteur, ein Inhaber einer Werbeagentur und ein nicht ganz freiwillig abgetretener Bankpräsident, alle mit ihren großen, dünnen, blonden zweiten Frauen.
    Der Raum war erfüllt vom behaglichen Gemurmel halblauter Stimmen, dem behutsamen Klappern und Klirren der Bestecke und den unaufdringlichen Düften sorgfältig komponierter Speisen. Das Licht war warm und schmeichelhaft, und die Böen des Regens, der gegen Abend begonnen hatte,  den frischen späten Schnee in grauen Matsch zu verwandeln, waren nur für die Gäste mit Fensterplatz als
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