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Der Knochenmann

Der Knochenmann

Titel: Der Knochenmann
Autoren: Wolf Haas
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als zehn Tagen Bewußtlosigkeit herausgebracht hat. Der Jacky hat eine richtige Gänsehaut gekriegt, wie langsam und wackelig sein Lebensretter diese Bemerkung herausgeschoben hat. Wie dieser Schwergewichtsboxer, der im Ring immer so elegant getänzelt ist, daß ihn kein Gegner erwischt hat. Aber der Parkinson hat ihn dann doch erwischt. Das ist kein Boxer gewesen, sondern diese Krankheit, wo du mit dem eleganten Tänzeln nicht mehr aufhören kannst.
    Und eben die typischen Sprachprobleme beim Parkinson, deshalb wirkt man ein bißchen daneben, aber geistig ist man voll da. Und der Brenner jetzt auch mit dem Mund noch ein bißchen müde, aber geistig fast schneller als gewöhnlich: «Wen hat die Polizei alles verhaftet?»
    «Der alte Löschenkohl hat schon alle vier Morde gestanden: Seine Schwiegertochter, den Ortovic, den Baumann –»
    «Baumann?»
    «Der ist der erste gewesen. Ich habe es selber gesehen, wie er die Söldner angeworben hat.»
    «Das hat den Alten daran erinnert, wie er als Bub in den Krieg ist.»
    «Genau. Und dann noch den Marko, die Drecksau.»
    «Der Marko ist nicht mehr dazu gekommen, daß er dich ausläßt», sagt der Brenner.
    «Der tut mir nicht leid. Der hat auch Geschäfte mit dem Baumann gemacht.»
    «Woher weißt du das alles?»
    «Steht in der Zeitung.»
    «Und was ist mit dem Milovanovic?»
    «Stell dir vor, der lebt jetzt bei der Jurasic. Stecken alle unter einer Decke, die Jugos.»
    Eines ist hochinteressant. Wenn du längere Zeit im Koma gelegen bist, dann wachst du nicht an allen Stellen gleichzeitig auf. Sondern der Reihe nach. Und beim Brenner ist jetzt schon fast alles wach gewesen, aber die Moral noch ein bißchen im Koma. Weil es ist ihm ganz egal gewesen, ob sie den Milovanovic und die Jurasic auch schnappen oder nicht. Es hat ihn nur interessiert, ob der Kaspar Krennek ihnen auf die Schliche gekommen ist, also der Ehrgeiz schon wieder munter: «Ist die Kripo mit dem alten Löschenkohl zufrieden?»
    Der Jacky hat aber in dem Moment geglaubt, der Brenner redet noch halb im Koma verwirrtes Zeug. Und dann sind die Ärzte hereingestürmt, und in den folgenden Tagen ist so viel los gewesen, daß der Jacky es vollkommen vergessen hat, was der Brenner da gesagt hat.
    Einmal hat sie der Horvath besucht, der hat es jetzt doch wieder mit der Kunst probieren wollen, weil das normale Leben ist ihm zu abnormal gewesen. Und einmal hat sie der Paul Löschenkohl besucht, der hat es jetzt doch wieder mit der Hendlstation probieren wollen.
    Aber natürlich schwierig, weil sein Vater hat doch viele Stammgäste unfreiwillig zu Kannibalen gemacht. Natürlich große Aufregung bei den Leuten. Drei weiß ich selber, die sind sogar Vegetarier geworden, eine Frau aus St. Anna, dann die Klöcher Volksschullehrerin und ein Tischler aus Gniebing. Aber der ist ohne Fleisch so nervös geworden, daß er es nur eine Woche ausgehalten hat.
    Und das ist auch die Hoffnung gewesen, die der junge Löschenkohl gehabt hat. Die Leute vergessen schnell. Der Hunger kommt wieder, und wenn man ihnen einen guten Preis macht, dann bleiben sie nicht lange aus.
    «Freilich, so günstig wie der Vater kann ich nicht mehr sein.»
    «Wie geht es dem Vater?»
    «Nicht einmal so schlecht», sagt der Paul. «Er wird ordentlich behandelt im Gefängnis und darf auch ein bißchen in der Küche helfen. Die Fleischbänke habe ich dem Horvath geschenkt», hat der Paul das Thema gewechselt. Weil er hat jetzt nicht länger über seinen Vater reden wollen. Er ist immer noch so verwandelt gewesen wie an dem Abend, wo er es verhindert hat, daß sein Vater den Brenner paniert. Gar nicht so ein unsympathischer Mensch, das muß man zugeben. Fast hat der Brenner es jetzt verstehen können, daß ihn die Schwester von der Schuhhändlerin geheiratet hat.
    Wie er sich wieder auf den Weg gemacht hat, hat der Brenner noch schnell gesagt: «Sie haben mir das Leben gerettet.»
    «Sie mir auch.»
    Und irgendwie hat der Paul damit nicht ganz unrecht gehabt. Ich wünsche es ihm jedenfalls, daß er es schafft mit der Grillstation, weil dann hätte er eine Aufgabe, und der Mensch braucht heute irgendeine Aufgabe, besonders wenn er so labil ist wie der junge Löschenkohl.
    Es gibt aber auch Situationen, wo du lieber keine Aufgabe hättest. Wo du nichts brauchst als Ruhe und noch einmal Ruhe. Zum Beispiel, weil dir gerade ein Finger abgehackt und wieder angenäht worden ist.
    Aber beim Brenner ist es nicht weit her gewesen mit der Ruhe. Andauernd hat jemand
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