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Der Knochenmann

Der Knochenmann

Titel: Der Knochenmann
Autoren: Wolf Haas
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eine Möbelhalle vorstellst oder diese Garagen, wo sie die Jumbo-Jets unterstellen. Und die ganze Flugzeuggarage ist voll mit Leuten, die Backhendl essen.
    Aber jetzt ist der Brenner unterbrochen worden und hat nicht länger an die Fini denken können. Und was hätte er auch noch lange denken sollen, weil du darfst eines nicht vergessen: nur zwei Wochen verlobt gewesen. Und da hat er sich nicht mehr an viel erinnert, außer an ihre dauernde Hendlesserei, und natürlich daß sie so einen riesigen Busen gehabt hat. Die Fini hat gesagt, das kommt davon, weil sie den Hendln so viele Hormone füttern.
    Jetzt weg mit der Fini, weil der alte Löschenkohl hat dem Brenner sein Backhendl gebracht, und du wirst dich fragen, wieso serviert der alte Löschenkohl höchstpersönlich dem Brenner sein Backhendl. Aber paß auf, weil das ist interessant. Der alte Löschenkohl gibt dem Brenner die Hand und sagt: «Löschenkohl.»
    Und der Brenner hebt seinen Hintern einen halben Millimeter von der Holzbank und sagt: «Brenner.»
    Der alte Löschenkohl hat sich zum Brenner an den Tisch gesetzt. Aber natürlich, wenn heute zwei zusammensitzen, wo jeder darauf wartet, daß der andere was sagt, wird es mit der Unterhaltung schwierig.
    «Mahlzeit», hat der alte Löschenkohl noch gesagt, und dann sind sie die ganze Zeit stumm nebeneinandergesessen, bis der Brenner sein erstes Hendlstück aufgegessen gehabt hat.
    Und du darfst eines nicht vergessen. Ein Löschenkohl-Hendl besteht aus vier Teilen, und wenn du zwei davon ißt, zerreißt es dich. Deshalb bringt dir die Kellnerin beim Kassieren automatisch eine Alufolie, und du hast daheim noch eine gute Jause, das ist es, warum der Löschenkohl in der ganzen Steiermark bis Graz hinauf berühmt ist. Sogar die Wiener kommen am Wochenende herunter, wenn sie nicht mehr wissen, wie sie ihre verfressenen Kinder sonst satt kriegen sollen.
    Jetzt der Brenner mit seinem halben Backhendl und seinem Bier, und ihm gegenüber der alte Löschenkohl mit einem Achtel Löschenkohl-Wein, weil der hat seinen eigenen Weinberg hinter dem Haus gehabt. Und der Brenner hat jetzt einfach einmal gewartet, ob der alte Löschenkohl nicht doch von selber zu reden anfängt.
    Aber der alte Löschenkohl sagt kein Wort und schaut seinem Gast nur stumm beim Knochenabfieseln zu. Die Wangen von dem alten Mann sind ganz violett gewesen, da hast du die Adern einzeln zählen können, und sein Atem ist so schwer gegangen wie bei einem alten Postauto. Wie der Brenner das erste Stück aufgegessen und die Knochen auf den Knochenteller gelegt hat, sagt der Wirt: «Ist es in Ordnung?»
    Hat er jetzt das Hendl gemeint, oder hat er gemeint, ob der Brenner den Auftrag annimmt? Weil das ist natürlich ein Auftrag gewesen, wo du es dir dreimal überlegst, ob du ihn annimmst. Aber «ja» hätte der Brenner so oder so nicht antworten können, weil das Hendl ist von einer zentimeterdicken Panier überzogen gewesen, und geschmeckt hat es nach allem möglichen, nur nicht nach Hühnerfleisch.
    «Kein Wunder, daß Sie im ganzen Land bekannt sind», sagt der Brenner.
    «Ein bißchen weniger bekannt könnte nichts schaden.»
    Der Löschenkohl ist so groß gewesen, daß er noch im Sitzen um einen halben Kopf größer war als der Brenner. Heute gibt es ja viele so große Leute, und es ist für den Brenner schon normal gewesen, daß er zu den jüngeren Leuten hinaufschauen muß. Aber früher sind die Leute nicht so groß geworden. Und der Brenner hat sich jetzt erinnert, wie sie bei einem Bildungsausflug mit der Polizeischule einmal ein Schloß besichtigt haben, alles prächtig, aber das Bett vom Schloßherrn ist nicht größer gewesen als ein Kinderbett.
    Vielleicht ist ihm das jetzt nur eingefallen, weil der alte Löschenkohl auch so etwas gehabt hat, ich möchte nicht sagen: majestätisch, aber ein würdiger, alter Hendlkönig.
    «Warum wollen Sie dann die Geschichte noch einmal aufrühren?» sagt der Brenner, obwohl man eigentlich mit vollem Mund nicht sprechen soll.
    «Wir wollen die Sache endlich vom Tisch haben.»
    «Aber das Geschäft geht doch gut.»
    «Das Geschäft schon.»
    «Wie viele Hühner verkaufen Sie denn in einer Woche?»
    «Zehntausend in einer guten Woche, fünftausend in einer schlechten.»
    «Und da haben Sie das Problem mit den Knochen?»
    «Neinnein. Da haben wir jetzt kein Problem mehr damit.»
    «Aber damals.»
    «Ja, damals eben. Bis dann die Sache gewesen ist, haben wir dieses Problem mit den Knochen gehabt. Haben wir aber
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