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Der Knochenmann

Der Knochenmann

Titel: Der Knochenmann
Autoren: Wolf Haas
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ist es von der warmen Frühlingssonne gekommen, oder vielleicht von der idyllischen Landstraße, wo nur alle fünf Minuten ein Auto vorbeigefahren ist. Oder vielleicht einfach von den grünen Hügeln, weil das sagt man ja, daß das Grün die Nerven beruhigen soll. Vielleicht sind in den Ländern, wo die Polizei grüne Uniformen hat, die Polizisten auch weniger aggressiv als dort, wo sie andere Uniformen haben. Und die Leute friedlicher, wenn sie grüne Polizisten haben. Ob es da weniger Polizeibeleidigung gibt, siehst du, das wäre einmal interessant.
    Aber dem Brenner hat es egal sein können. Der hat schon fünfzehn Jahre keine Uniform mehr angehabt. Und seit einem Jahr ist er überhaupt kein Polizist mehr gewesen. Der ist jetzt durch die steirischen Weinberge spaziert und hat sich gedacht: Hier kann man gut Spazierengehen, und vielleicht schadet es nichts, wenn ich ein paar Tage bleibe.
    Und so einsam, wie es ihm zuerst vorgekommen ist, ist es gar nicht gewesen. Weil er hat jetzt schon die längste Zeit einen Riesenlärm gehört. Zuerst hat er geglaubt, Einbildung, weil es hat fast geklungen, als ob gleich hinter dem Weinhügel ein Fußballstadion wäre, wie so ein Orkan von Tausenden Stadionbesuchern. Und was soll ich sagen, hinter dem Hügel ist wirklich ein Fußballstadion gewesen, und bestimmt ein paar tausend Zuschauer auf der Holztribüne, daß man geglaubt hat, jetzt und jetzt kracht sie zusammen, und Klöch auf einen Schlag ausgerottet.
    Wie der Brenner das Plakat bei der Kassa gelesen hat, hat er erst verstanden, wieso die Mannschaft von so einem Kaff derart viele Zuschauer haben kann.
    Weil natürlich Cup ist Cup. Und mit Oberwart haben die Klöcher eine Mannschaft aus der 2. Division gezogen, und Klöch spielt fünf Klassen tiefer. Da ist der Cup natürlich die große Chance für die Kleinen, da glaubt jeder Kleine, heute werfen wir den Goliath aus dem Cup, praktisch biblischer Zorn.
    Jetzt sind diese Spiele natürlich gern ein bißchen auf der brutaleren Seite. Weil wenn die Kleinen eine Chance wittern, dann kennen sie nichts. Das gilt nicht nur für den Fußball. Das gilt auch oft einmal für ein kleines Land. Daß es gern einmal den Blutrausch kriegt, wenn die Gelegenheit günstig ist. Aber ich meine jetzt nicht speziell die Österreicher, mehr so eine generelle Überlegung.
    Und der Klöcher Fußballplatz jetzt auch ein bißchen Hexenkessel, weil schon knapp vor Schluß, wie der Brenner hingekommen ist, und immer noch null zu null. Zwei, drei Klöcher Spieler sind schon mit Krämpfen auf dem Rasen gelegen, weil natürlich weit über ihre Verhältnisse. Auf auf, und geht schon wieder! Und die Oberwarter Stars einen Schuß nach dem anderen auf das Klöcher Tor. Aber der Tormann, das glaubst du nicht, ich sage nur: Zauberer. Und das ist noch eine Untertreibung.
    Dann ein Foul von einem Klöcher Verteidiger, daß du die Knochen krachen gehört hast. Wie der Schiedsrichter den Klöcher Verteidiger ausschließt, will das Publikum den Schiedsrichter aufhängen. Aber unten die Polizei, Gott sei Dank, muß man da sagen. Marschieren sofort die Hundeführer auf. Das Publikum Schiß vor den Schäferhunden, hängt es den Schiedsrichter doch nicht auf.
    Nach der Verlängerung ist es immer noch null zu null gestanden. Und jetzt natürlich Elfmeterschießen. Bei Oberwart hat der ehemalige Nationalstürmer Bacher gespielt, der hat natürlich den ersten Elfer geschossen. Ins Kreuzeck. Herrlicher geht es nicht. Aber der Klöcher Tormann noch herrlicher, fischt der den Ball aus dem Kreuzeck heraus.
    Was soll ich lange reden, die Klöcher Unterliga-Spieler verwandeln alle Elfer und werfen Oberwart aus dem Cup. Und so eine Euphorie ist natürlich ansteckend, da ist der Brenner auf dem Heimweg in einer völlig anderen Stimmung gewesen als auf dem Hinweg. Und möchte man meinen, daß du in so einer Euphorie besser verdaust. Aber wie er um sieben wieder zum Löschenkohl gekommen ist, ist ihm das Hendl immer noch so im Magen gelegen, daß er keinen Hunger gehabt hat.
    Trotzdem geht der Brenner in die Gaststube. Nicht weil er was essen will, aber er hat sich gedacht, schön langsam wird es Zeit, daß ich die Chefin kennenlerne. Gestern am Telefon hat sie es so eilig gehabt, fast hätte sie dem Brenner zu weinen angefangen, wenn er ihr nicht zugesagt hätte. Und jetzt macht sie sich rar. Aber so sind die Chefleute, hat sich der Brenner gedacht, es ist überall auf der Welt dasselbe.
    Im Speisesaal ist gerade das Hauptgeschäft
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