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Der Knochenmann

Der Knochenmann

Titel: Der Knochenmann
Autoren: Wolf Haas
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Weil das ist eine Gewohnheit gewesen noch aus seiner Zeit als Verkehrspolizist. Da bist du beim Nachtdienst oft einmal froh, wenn du ein Kreuzworträtsel auflösen kannst.
    Aber ist auch nicht ganz ungefährlich, so ein Kreuzworträtsel. Einen Kollegen vom Brenner haben sie erwischt, wie er in einer Nacht ein ganzes Rätselbuch vollgeschrieben hat. Aber nicht daß du glaubst, der ist so gut im Kreuzworträtsel gewesen, sondern der hat immer ein und dasselbe Wort geschrieben, nämlich:
deprimiert.
Nur mit waagrecht und senkrecht ist es nicht immer schön aufgegangen. Natürlich ab in die Frühpension mit zweiunddreißig. Aber siehst du, da möchte man meinen, die Gefahr für einen Polizisten sind Schußwechsel oder Verfolgungsjagd, doch man vergißt das Kreuzworträtsel.
    Ich möchte jetzt nicht sagen, daß der Brenner ein Instinktmensch gewesen ist. Oft bei der Arbeit hätte er es sich gewünscht: ein guter Instinkt, und schon hast du den Täter. Aber das ist nicht eines von seinen Talenten gewesen. Genauso, wie er nicht besonders musikalisch gewesen ist und nicht besonders begabt für Fremdsprachen. Und mathematisch auch weniger. Hat er auch instinktmäßig kein überragendes Talent gehabt. Wieso soll man es nicht zugeben, wenn es so ist? Aber jetzt hat er einmal einen richtigen Instinkt gehabt und das Kreuzworträtsel nicht aufgelöst.
    Statt dessen hat er der Kellnerin ein bißchen beim Besteckwickeln zugeschaut und sich gewundert, wie man am frühen Morgen so fröhlich sein kann. Und da sind die Männer ja alle ein bißchen ding, das muß man schon ehrlich sagen, und der Brenner hat jetzt natürlich gedacht: Die Kellnerin ist so fröhlich, die muß einen guten Liebhaber haben.
    Aber du darfst eines nicht vergessen. Das Zimmer von der Kellnerin ist direkt neben dem von Brenner gelegen, und dazwischen nur eine dünne Holzwand. Weil das ist früher der Dachboden gewesen, haben sie irgendwann billig die Personalzimmer abgetrennt. Jetzt hat der Brenner zwar die ganze Nacht so tief geschlafen, daß er nicht aufgewacht ist von der Kellnerin ihrem gewaltigen Lustschrei um halb zwölf. Aber im Schlaf hörst du es ja doch auch irgendwie. Unbewußt. Und ich glaube, daß es deswegen gewesen ist, daß ihm der Liebhaber eingefallen ist, wie er ihr beim Besteckwickeln zugeschaut hat.
    Aber interessant! Wenn du heute einem fröhlichen Menschen zuschaust, wirst du selber fröhlich. Oder vielleicht nicht gerade fröhlich. Aber immerhin, der Brenner hat sich jetzt gedacht: Wer weiß, wofür es gut ist, daß die Chefin noch nicht da ist. Schau ich mir eben die Knochenmehlmaschine im Keller an, und rede ich ein bißchen mit dem Jugo.
    Daß er allein in den Keller hinuntergegangen ist, ist nicht weiter auffällig gewesen. Weil die Toiletten waren ja auch im Keller, eine riesige Anlage wie auf einem Flughafen, weil wo viel gegessen wird, da braucht es natürlich auch die entsprechende Sanitär. Und da muß man sagen, ist beim Löschenkohl alles tipp-topp gewesen.
    Er ist an den Flughafentoiletten vorbei, immer dem Surren der Knochenmehlmaschine nach. Ein ewig langer Gang ist das gewesen, und das Surren ist immer lauter geworden. Und dann ist er zu der Tür gekommen. Und wie er die Tür aufmacht – mein lieber Schwan! Da ist dem Brenner fast sein Frühstückskaffee wieder heraufgekommen.
    Zuerst hat er den Jugo nur von hinten gesehen. Er ist fast bis zur Hüfte in einem Knochenberg gestanden und hat mit den Knochen eine Maschine gefüttert, die ist fast so lang gewesen wie die fünfzehn Kabinen im Männerklo zusammen. Und der Geruch erst. Wenn du dir auch hier die fünfzehn Männerklos zusammenaddiert vorstellst.
    Aber an der Zugluft muß der Jugo bemerkt haben, daß jemand die Tür aufgemacht hat. Und wie sich der Jugo mit ein paar Hühnergerippen in seinen tellergroßen Tormannhänden umgedreht hat, hat der Brenner den Helden des Elfmeterschießens gleich erkannt.
    «Gestern sind Sie ja gewaltig in Form gewesen», sagt der Brenner. Weil er ist der Meinung gewesen, man muß mit den Ausländern ordentliches Deutsch reden, sonst lernen sie es nie.
    «‘tschuldige?»
    «Gestern. Gewaltig in Form gewesen!»
    «‘tschuldige, nix gut Deutsch.»
    «Gratuliere! Nix Tor gekriegt gegen Oberwart!» sagt der Brenner, und da siehst du, wie schnell ein guter Vorsatz zerbröselt. Aber der Erfolg natürlich postwendend:
    «Oberwart nix Tor», grinst der Jugo übers ganze Gesicht. Jetzt hat der Brenner aber bemerkt, daß der Tormann ein falsches
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