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Der Knochenmann

Der Knochenmann

Titel: Der Knochenmann
Autoren: Wolf Haas
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wie weich seine Hand gewesen ist, und überhaupt, der junge Löschenkohl hat seinem Vater auf den ersten Blick überhaupt nicht ähnlich gesehen. Ein unangenehmer Mensch, das hat man dafür sofort gesehen. Die Art, wie er geredet hat, weißt du: beleidigt und herausfordernd gleichzeitig. Und so fett und aufgedunsen, daß sein violetter Vater neben ihm richtig gesund ausgesehen hat.
    Aber kein Wunder, daß er seinem Vater nicht ähnlich gesehen hat. Weil der ist Jahrgang 1929 gewesen, hat er sich in den letzten Kriegstagen als Sechzehnjähriger freiwillig gemeldet. Und im Vergleich zu denen, die gar nicht mehr zurückgekommen sind, ist der Löschenkohl mit seinem zerfetzten Unterleib noch gut bedient gewesen. Und vielleicht ist das später sogar ein bißchen das Geheimnis von seiner Tüchtigkeit gewesen, wie man ja oft bei den ehrgeizigen Geschäftsleuten ein kleines Problem in dieser Hinsicht vermutet. Jedenfalls hat er dann bald nach dem Krieg eine Frau geheiratet, die schon einen Sohn gehabt hat. Und den hat er jetzt zusammengestaucht: «Sie wird schon wieder auftauchen. Ist ja nicht das erste Mal, daß sie für ein paar Tage verschwindet.»
    «Aber sie hat mich vorgestern angerufen, daß ich unbedingt heute vormittag kommen soll. Damit ich auch mit dem Detektiv reden kann.»
    Er muß zwischen 40 und 50 gewesen sein, aber irgendwie hat er den Brenner an das Baby erinnert, das damals die Frau vom Oberascher vom Schmeller bekommen hat, und alle haben es gewußt, nur der Oberascher nicht. Und der alte Löschenkohl hat seinen Sohn jetzt wirklich wie ein kleines Kind zurechtgewiesen:
    «Das ist das größere Problem, daß sie den Herrn Brenner herbestellt hat. Und dann ist sie selber nicht da. Und nichts ist ausgemacht, nicht einmal, wieviel der Herr Brenner verlangt.»
    Jetzt schaut das Riesenbaby den Brenner an, wieder mit diesem gekränkten Blick, und sagt dafür um so aggressiver: «Verlangen Sie, was Sie wollen.»
    «Den Porsche», hätte der Brenner fast gesagt, nur so zum Spaß.
    Aber er hat es dann doch nicht gesagt. Weil eine ernste Situation, und dem jungen Löschenkohl sind jetzt zwei richtige Tränenbäche aus seinen Alkoholikeraugen gelaufen. Und da hat sich der Brenner gedacht: Mache ich lieber keinen Spaß. Obwohl es ihn fürchterlich gejuckt hätte.
     

3
    Früher, wie sich noch nicht jeder einen Fernseher leisten hat können, sind die Leute ins Gasthaus fernsehen gegangen. Das ist natürlich ein Hallo gewesen, ja was glaubst du. Fußballweltmeisterschaft in Mexiko, da ist ganz Klöch beim Löschenkohl gesessen. Und haben nicht einmal alle einen Sitzplatz gehabt, wie der Brasilianer den Italiener schwindlig gespielt hat.
    Vier zu eins, ich weiß es heute noch, und alle Klöcher auf der Seite vom Brasilianer, weil der Pele natürlich ein Zauberer. Ganz schwarz, ein ganz ein schwarzer Neger ist das gewesen, weil da gibt es ja auch hellere, aber der Pele schwarz wie eine Kohle. Und weiße Augen, die haben geleuchtet, und ein Künstler, so was gibt es heute nicht mehr.
    Und so was wird es nicht mehr so schnell geben, weil denen geht es ja heute auch schon viel zu gut drüben, und wenn du heute in einem Slum aufwächst, da hast du auch schon alles, Farbfernseher, Video, alles haben die Leute schon im Slum. Und da strengt sich der Bub auch nicht mehr so an beim Kicken, der letzte Einsatz fehlt, wenn es kein richtiger Slum mehr ist. Und der wird vielleicht auch ein guter Fußballer, aber kein, sagen wir einmal, Pele.
    Vom Farbfernseher haben sie damals beim Löschenkohl nur träumen können, und beim Schwarzweißen hast du am Anfang froh sein müssen, wenn du ein Bild gehabt hast. Weil oft einmal nur Ton, ohne Bild, und dann wieder nur Bild, aber kein Ton. Und da hast du einen Knopf gehabt, da hast du es dir aussuchen können, lieber ein gutes Bild oder lieber einen guten Ton. Oder ein Kompromiß, schlechteres Bild, aber dafür ein bißchen Ton. Oder du hast den lästigen Streifen drinnen gehabt, ein halbes Bild über dem Streifen, ein halbes Bild darunter, und der Pele ist mit seinen Puma-Schuhen auf seinem eigenen Kopf spazierengegangen.
    Aber das ist lange her, und heute haben längst alle ihren Fernseher daheim. Und die Leute, die damals jung waren, sind heute alt geworden. Bei jeder Fußball-WM denkst du dir, schon wieder vier Jahre vorbei, das Leben ist nur ein Huscher, du kaufst dir ein Radio, dann einen Fernseher, dann einen Video. Und dann bestellst du dir ein Faxgerät, und der Faxmonteur läutet bei
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