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Der Knochenmann

Der Knochenmann

Titel: Der Knochenmann
Autoren: Wolf Haas
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dir an der Tür, und du machst auf, und es ist nicht der Faxmonteur, sondern der Knochenmann holt dich ab. Ist es nicht so, wenn wir uns ehrlich sind?
    Aber nicht trübsinnig werden. Weil wenn sich auch alles geändert hat, eines ist heute noch so, wie es immer gewesen ist. Jeden vierten Freitag
Aktenzeichen XY
im Fernsehen. Und das ist auch der Grund gewesen, wieso an diesem Freitag abend doch wieder ganz Klöch zum Löschenkohl fernsehen gegangen ist. Weil wenn Klöch schon einmal im Fernsehen ist, dann geht man zum Löschenkohl. Denn jetzt, wo jeder alles daheim hat, ist natürlich die Einsamkeit auch nicht immer ein Spaß.
    Aber so einen Auflauf, da hat sich der alte Löschenkohl nicht einmal erinnern können, wie sie Weihnachten 57 das erste Mal einen Fernseher aufgestellt haben, daß so viele Leute dagewesen sind. Obwohl Klöch damals noch 123 Einwohner mehr gehabt hat, weil die jungen Leute bleiben nicht mehr in Klöch, sie verschwinden in die Stadt oder weiß Gott wohin.
    Aber von denen, die noch in Klöch gewohnt haben, sind jetzt fast alle dagewesen. Sogar viele Kinder, weil heute dürfen ja die Kinder auch schon alles anschauen im Fernsehen. Dann darfst du dich nicht wundern, wenn sie dir schon in der Krabbelstube den Schädel wegschießen.
    Die Kellnerinnen haben einen Streß gehabt, frage nicht. Da vier halbe Backhendln, dort einen Tisch voll Stelzen, dort sechs Bier, und noch eine Haustorte, und Pommes für die Kinder. Und natürlich einer ungeduldiger als der andere: Was ist mit meiner Stelze, was ist mit meiner Limo, was ist mit meinem Schnitzel, müßt ihr mein Hendl erst schlachten, oder was?
    Dann
die Aktenzeichen-Musik,
und auf einen Schlag alle still. Da braucht es kein Zischen und kein gar nichts, da ist sofort absolute Ruhe im Speisesaal. Weil die Haut von einem Grillhendl ist nichts gegen die Gänsehaut, die es dir aufzieht bei der
Aktenzeichen-
Musik.
    Aber wie alle darauf warten, daß der Eduard Zimmermann zu reden anfängt, sagt statt dessen der Jacky von hinten so laut, als wären die Klöcher alle gekommen, damit sie ihm zuhören dürfen: «Der Eduard Zimmermann schaut auch immer gleich aus. Das ist ein Mensch, der verändert sich nicht. Möchte man meinen, ein operierter Verbrecher, der einmal einen Geldzug ausgeräumt hat, und dann hat er sich das Gesicht operieren lassen, damit ihn keiner erkennt. Und jetzt verändert es sich nicht mehr.»
    Den Jacky hat der Brenner schon gekannt. Der Sohn von der Löschenkohl-Klofrau ist den ganzen Tag mit einem Bier in der Hand an der Schank gelehnt und hat die Leute unterhalten. Die Klöcher haben sich jetzt verärgert nach dem Jacky umgedreht, aber er ist noch nicht fertig gewesen.
    «Wäre ja kein schlechtes Versteck, wenn der sich ausgerechnet in
Aktenzeichen
versteckt. In der Höhle des Löwen. Aber andererseits, mit den Fingerabdrücken hätten sie ihn natürlich gleich, und ab ins Gefängnis mit dem operierten Eduard.»
    Jetzt aber. «Pssst!» und «Ruhe!» und «Halt die Pappn!», das sind noch die Höflichkeiten gewesen. Der Brenner hat sich gewundert, daß sie dem Jacky derart über den Mund fahren. Weil er hat den Jacky eigentlich gut leiden können. Am ersten Tag hat er sogar geglaubt, der Jacky ist der Juniorchef. Und ich muß ehrlich sagen, kein Wunder, daß der Brenner auf diese Idee gekommen ist.
    Der Jacky hat gut ausgesehen, wie diese italienischen Liebhaber, von denen die Frauen träumen – und hinterher sind sie charakterlich enttäuscht, aber bitte, mir kann es ja egal sein. Jedenfalls, der Jacky hat mit seinen 30 Jahren schon graue Streifen in seinen schwarzen Haaren gehabt und immer ein Sakko an. Allein das hat schon ein bißchen chefmäßig gewirkt. Und natürlich, daß er mit jedem, der hereingekommen ist, geplaudert hat wie ein alter Wirt.
    Jetzt hat sich aber der alte Löschenkohl über die Schank gebeugt und dem Jacky etwas ins Ohr geflüstert. Dann ist Ruhe gewesen. Weil der Alte ist dafür bekannt gewesen, daß er für Ruhe sorgen kann. Wenn bei dem ein Betrunkener lästig geworden ist: sofort zahlen und auf Wiedersehen. Der Jacky hat das schnell begriffen, und der Eduard Zimmermann hat anfangen können.
    Zuerst einmal über die Fälle der letzten Sendung, da haben sie einen deutschen Geldfälscher in der französischen Schweiz erwischt. Die französische Schweiz natürlich kein Pardon, und schau, daß du heimkommst in deinen Hochsicherheitstrakt. Sonst ist nicht viel herausgekommen bei der letzten Sendung, da haben sie
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