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Der Knochenmann

Der Knochenmann

Titel: Der Knochenmann
Autoren: Wolf Haas
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gleich mit den neuen Fällen angefangen.
    «Bitte, Sabine», sagt der Eduard Zimmermann, weil das ist ein ausgesprochener Familienmensch, der hat sich seine eigene Tochter herangezügelt, die Sabine. Die macht jetzt auch Verbrecherjagd, ein sauberes Mädel, und die hat den ersten Mörder ansagen dürfen.
    Und schon geht der erste Film los. Es sind ja immer drei Filme, und zwischendurch suchen sie kleinere Gauner mit den Fotos, aber die Filme natürlich immer Höhepunkt. Meistens ein Film mit Vergewaltigung, einer mit Mord und oft einmal ein Film, wo einer gerade noch davonkommt, aber leider gelähmt.
    Aber der erste Film ist noch nicht der Klöch-Film gewesen. Jetzt ein bißchen Entspannung im Speisesaal. Und kann man in Ruhe sein Backhendl aufessen. Weil eine sechzehnjährige Schülerin ist vermißt worden. Das mußt du dir einmal vorstellen, die ist täglich mit dem Schulbus in die Schule gefahren. Haben ihre Eltern geglaubt. Aber in Wirklichkeit Edelprostituierte in Hamburg, mein lieber Schwan. Und das ist ihre Handtasche, und bitte zweckdienliche Hinweise an die Kriminalpolizei in Neumünster, 10 000 Mark Belohnung.
    Für normal hätte das die Klöcher aufgeregt. Aber heute nur gespannt auf den eigenen Film. Aber zweiter Film immer noch nicht Klöch. Und dann dritter Film. Spannung unerträglich, wie der Eduard Zimmermann sagt: «Ein besonders mysteriöses Verbrechen wurde im März vergangenen Jahres in Östreich entdeckt.»
    Uh, das hätte er nicht sagen sollen. Da hätte er sich vorher erkundigen sollen, wie man das ausspricht. «Öster-Reich heißt das, nicht Östreich», fluchen sie gleich an mehreren Tischen. Weil wenn du heute ein kleines Land bist, dann läßt du dir nicht gern eine Silbe auch noch wegnehmen.
    Aber vielleicht ist es weniger die Silbe gewesen. Vielleicht mehr die Anspannung. Daß sich die entladen hat. Der Eduard Zimmermann hat sich aber nicht irritieren lassen: «Bitte, Peter Nidetzky in unserem Wiener Studio.»
    «Der ist auch alt geworden seit der Mondlandung», sagt der Jacky. Weil da erinnerst du dich sicher noch, wie der Nidetzky 1969 die Mondlandung im Fernsehen kommentiert hat. Aber wie die Mondlandungen dann aus der Mode gekommen sind, hat der Nidetzky nur mehr das Dressurreiten kommentieren dürfen. Und Dressurreiten ist keine Mondlandung, da kann man sagen, was man will. Bei
Aktenzeichen
ist der Nidetzky auch immer nur am Nebenschauplatz, kurz einmal nach Wien schalten, aber selten ein gescheiter Fall. Eher noch der Konrad Tönz aus der Schweiz, daß der vielleicht einmal einen gescheiten Fall hat, aber Wien kann ich mich nicht oft erinnern.
    Und da hat der Peter Nidetzky natürlich heute seinen großen Tag gehabt. Jahrelang nur Dressurreiten, jetzt ist seine Stimme wieder nervös gewesen wie beim ersten Mal Mondlandung:
    «Klöch ist ein kleiner verschlafener Ort in der Oststeiermark, knapp an der Grenze zu Ungarn und Slowenien. In Österreich verbindet man mit dieser sanfthügeligen Landschaft eine Idylle, wie sie heutzutage kaum noch wo in ähnlich unverdorbener Weise anzutreffen ist. Unweit der bekannten Steirischen Toskana erfreut sich auch die Klöcher Weinstraße von Jahr zu Jahr größerer Beliebtheit. Dementsprechend viele Ausflugs- und Jausenstationen sowie die idyllischen
Buschenschanken
gibt es in der Gegend. In der größten und bekanntesten von ihnen, der Grillstation Löschenkohl in dem 1000-Seelen-Dorf Klöch, wurde allerdings letztes Jahr ein Fund gemacht, der auf alles andere als eine heile Welt schließen läßt.»
    Da hätten jetzt die Klöcher garantiert in das Rekorde-Buch kommen können: 500 Menschen in einem Saal, aber kein Mucks, weil da hat nicht einer es mehr gewagt, von seinem Hendlbein abzunagen. Wie angeschweißt sind sie gesessen, kein Schluck von einem Bier, kein gar nichts, wie der Peter Nidetzky mit seiner ernsten Stimme über Klöch geredet hat.
    Und das mit der heilen Welt. Praktisch Nestbeschmutzer. Womit du dich sogar im Tierreich unbeliebt machst, frage nicht. Denn da sind sich die Klöcher einig gewesen, daß das mit den Knochen von außen hereingekommen ist.
    Aber da hat schon der Film angefangen, und der Sprecher mit der tiefen Stimme, kennst du bestimmt: «Montag, 23. Oktober 1995, Klöch in der Oststeiermark. Die Grillstation Löschenkohl ist ein weithin bekanntes Ziel für Ausflügler.»
    Jetzt haben die Klöcher ein eigenartiges Erlebnis gehabt. Wenn du heute etwas im Fernsehen siehst, lebst du dich automatisch irgendwie hinein. Und
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