Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Knochenmann

Der Knochenmann

Titel: Der Knochenmann
Autoren: Wolf Haas
Vom Netzwerk:
gewesen, Freitag abend, eine fürchterliche Massenausspeisung. Da will ich die Chefin nicht bei der Arbeit stören, denkt sich der Brenner und setzt sich an den Tisch zu ein paar betrunkenen Fußballfans, weil sonst ist nichts mehr frei gewesen.
    «Ein Backhenderl?»
    Es ist dieselbe Kellnerin wie am Nachmittag gewesen, sie hat den Brenner gleich wiedererkannt und ihn vor den anderen bedient, die schon viel länger gewartet haben.
    «Nein, danke», sagt der Brenner.
    «Oder eine Stelze? Gute Stelzen haben wir.»
    «Nein, um Gottes willen.»
    «Oder Spare Ribs mit Pommes?»
    «Nur ein Bier», sagt der Brenner, und er muß dabei zum Gotterbarmen ausgesehen haben, weil die Kellnerin hat ihn jetzt so aufmunternd angeblickt, und dann hat sie ihm sofort sein Bier gebracht, noch bevor sie die anderen Bestellungen aufgenommen hat. Sie hat einen roten Lederrock angehabt, eng wie eine Wursthaut. Aber die Freundlichkeit in Person, hat sich der Brenner gedacht und gleich das halbe Bier hinuntergezischt.
    Gegen neun hat das Geschäft langsam nachgelassen, und wie ihm die Kellnerin sein drittes Bier hinstellt, fragt er sie: «Wo geht denn die Chefin um?»
    «Die Chefin hab ich heute noch gar nicht gesehen.»
    «Wann kommt sie denn?»
    «Sie müßte eigentlich schon da sein.»
    Aber die Chefin ist auch nach dem dritten Bier nicht aufgetaucht, und dann hat er doch noch ein Schnitzel gegessen, überhaupt keinen Hunger, aber der Brenner, das ist so ein Mensch gewesen, der hat nicht schlafen können, wenn er kein Abendessen gehabt hat. Reine Gewohnheit, aber so ist der Mensch, der eine kann nicht schlafen, wenn ihn der Magen drückt, und der andere kann nicht schlafen, wenn er ihn nicht drückt.
    Also hinunter mit dem Schnitzel, und noch ein Bier, und um zehn ist der Brenner schon in seinem Personalbett gelegen. Oder vielleicht sollte man es lieber eine Hängematte nennen. Aber jetzt ist er so müde gewesen, daß ihn überhaupt nichts mehr gestört hat, nicht einmal das ewige Surren von der Knochenmehlmaschine.
    Und ich muß ganz ehrlich sagen, heute haben die Menschen oft ein unglaubliches Getue mit dem Schlafen, das beste Bett muß es sein, alles mit dem Bio, und absolute Ruhe natürlich, und das Zimmer ausgependelt, weil die Wasseradern sollten am besten sofort einen Bogen machen, nur weil die Herrschaften ihren Arsch irgendwo hinlegen. Aber natürlich: so fest, wie der Brenner in dieser Nacht mit der halben Grillstation im Bauch geschlafen hat, davon können sie nicht einmal träumen.
    Aber je tiefer du schläfst, um so schwerer wachst du auf, das ist wieder die andere Seite von der Geschichte.
    Wie die Kellnerin am nächsten Morgen das Frühstücksgeschirr vom Brenner abserviert hat, hat er zwar den schwarzen Kaffee getrunken gehabt – aber alles andere hat sie wieder mitnehmen können. Butter und Marmelade sind in so Plastiktiegel eingeschweißt gewesen, wie du es heute überall kriegst, praktisch Mondlandung. Aber das ist es nicht gewesen, daß die Portionspackungen den Brenner gestört hätten. Sondern schlicht und einfach ein Morgenmuffel, wie er im Buche steht.
    Die Kellnerin dagegen, die hat eine Fröhlichkeit ausgestrahlt, das ist nicht normal gewesen: «Ja, gar nichts angerührt? Hätten Sie lieber einen Käse gehabt?»
    «Neinnein. Ist schon in Ordnung.»
    «Oder einen Aufschnitt?»
    «Einen Aufschnitt?»
    «Wurstaufschnitt.»
    Der Brenner hat natürlich gewußt, was ein Aufschnitt ist. Aber bei dem Wort sind ihm wieder die Knochen eingefallen, also die ganze Geschichte, wegen der er überhaupt dasitzt, und er fragt jetzt die Kellnerin grantig: «Was ist mit der Chefin?»
    «Was soll mit der Chefin sein?»
    «Wo ist sie?»
    «Die Chefin? Die ist noch nicht gekommen», lächelt die Kellnerin und trippelt mit dem Frühstücksgeschirr in die Küche hinaus.
    Dem Brenner ist es recht gewesen, hat er noch in Ruhe ein bißchen die Zeitung lesen können. Weil das ist immer interessant, wenn du in einer fremden Gegend die Lokalzeitung anschaust, da liest du von Problemen, die dich überhaupt nichts angehen, und ich muß ganz ehrlich sagen: Es gibt nichts Entspannenderes. Die halbe Zeitung ist natürlich mit dem Klöcher Cupsieg voll gewesen. Und ein Foto vom Tormann auf der Titelseite, wie er eine herrliche Parade macht. 3500 Zuschauer sind dabeigewesen. Und das in einem Dorf mit 1000 Einwohnern.
    Sonst ist nicht viel Interessantes drinnen gestanden, jetzt hat sich der Brenner überlegt: Soll ich das Kreuzworträtsel auflösen?
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher