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Der Knochenmann

Der Knochenmann

Titel: Der Knochenmann
Autoren: Wolf Haas
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sauber Strafe gezahlt.»
    «Wie viele Knochen sind das denn bei zehntausend Hühnern?»
    «Ja, sagen wir 40 Prozent Knochen. Sagen wir: 4 Tonnen in einer guten Woche.»
    «Also fast eine Tonne pro Tag.»
    «Wenn es eine gute Woche ist.»
    «Und da sind Ihnen die Knochen über den Kopf gewachsen?»
    «Jaja, damals. Ist der Betrieb zu schnell gewachsen, jedes Jahr ein Anbau, damit dich die Steuer nicht auffrißt. Sind uns natürlich die Knochen über den Kopf gewachsen.»
    «Und heute?»
    «Heute haben wir schon lange die neue Knochenmehlmaschine im Keller. Da gibt es gar nichts mehr.»
    «Aber eine Knochenmehlmaschine haben Sie damals auch schon gehabt?»
    «Jaja, aber eine viel zu kleine Knochenmehlmaschine. Weil der Betrieb ist gewachsen und gewachsen, und die Knochenmehlmaschine ist nicht mitgewachsen.»
    Der Brenner hat sich jetzt immer schwerer getan mit seinem panierten Brüstl, weil das Fett hat getropft, nichts für Vegetarier, das muß man ehrlich sagen.
    «Und wer hat sich damals um die Knochenmehlmaschine gekümmert?»
    «Ja, der Jugo.»
    «Und dem Jugo sind dann die großen Knochen unter den Hühnerknochen aufgefallen.»
    «Neinnein, dem Jugo ist gar nichts aufgefallen. Weil wir haben ja nicht nur Hühner. Wir haben ja auch alles mögliche. So ein Stelzenknochen ist ja genauso groß, da ist dem Jugo überhaupt nichts aufgefallen.»
    «Aber wem ist es dann aufgefallen?»
    «Ja, die Lebensmittelpolizei ist gekommen. Weil wir mit den Knochen nicht mehr nachgekommen sind. Jeden Tag haben wir mehr Kundschaft gehabt, und jeden Tag haben wir natürlich mehr Knochen gehabt, und jeden Tag ist der Jugo mit der Knochenmehlmaschine weiter in Verzug gekommen. Jetzt natürlich, damit es nicht so stinkt, haben wir die Knochen in das Kühlhaus gelegt. Ist uns natürlich die Lebensmittelpolizei ins Haus gekommen.»
    «Und die haben die Entdeckung gemacht?»
    «Was heißt Entdeckung? Wenn du einmal die Lebensmittelpolizei im Haus hast, finden die überall was. Da glaubst du, du bist der reinste Verbrecher, nur weil du eine Hendlstation hast.»
    Der Brenner hat jetzt das panierte Hendlbein in Angriff genommen, weil wenn der Wirt an deinem Tisch sitzt, kannst du nicht gut mehr als die Hälfte stehenlassen.
    «Grillstation», hat sich der alte Löschenkohl selber korrigiert. «Wir haben ja alles, Stelzen und ding. Hendl natürlich 90 Prozent. Aber das mit den Hühnerknochen wäre gar keine große Sache gewesen. Da schaffen wir für den Jugo eine neue Knochenmehlmaschine an, also modern, zehnfache Kapazität, und der Jugo braucht nur mehr auf den Knopf drücken, das ist alles. Nehmen Sie es ruhig in die Hand.»
    Das hat jetzt dem Brenner seinem Hendl gegolten. Weil der Löschenkohl gesehen hat, daß er ein bißchen umständlich an seinem Hendlbein herumschneidet.
    «Ein echter Geflügelesser nimmt es sowieso in die Hand», sagt der alte Löschenkohl. Aber der Brenner ist eigentlich in dem Sinn weniger ein Geflügelesser gewesen, und er hätte das schmalzige Hühnerbein lieber vom Teller aus gegessen. Aber der Wirt hat keine Ruhe gegeben: «In den feinsten Häusern darf man ein Hendl in die Hand nehmen.»
    Jetzt bevor der Alte vom Thema abkommt, nimmt der Brenner lieber das Hendl in die Hand und sagt: «Und dann?»
    «Dann natürlich die Sache mit den Menschenknochen.»
    «Das hat die Lebensmittelpolizei beanstandet?»
    «Was heißt Lebensmittelpolizei? Die haben uns gleich die Kripo ins Haus geschickt.»
    «Mhm.»
    «Blöd ist der ja nicht gewesen, der uns da die Leiche in unseren Knochenberg gemischt hat. Weil unter uns gesagt, das ist schon der reinste Knochenberg gewesen damals, wie der Jugo nur die kleine Knochenmehlmaschine gehabt hat.»
    «Aber herausgekommen ist es trotzdem.»
    «Nichts ist herausgekommen, rein gar nichts. Die Kripo hat ja bis heute nichts gefunden. Nicht einmal, wem die Knochen gehört haben. Die Lebensmittelpolizei, die ist tüchtig, die findet überall was. Aber die Kripo, die findet nicht halb soviel wie die Lebensmittelpolizei.»
    Dem Brenner hat das Hendl jetzt mit jedem Bissen besser geschmeckt. Am Anfang gewöhnungsbedürftig, doch dann schön knusprig, das ist die Hauptsache. Weil ein Feinschmecker in dem Sinn ist der Brenner ja auch nicht gewesen. Aber dann, mitten im zweiten Stück, hat er es doch aufgeben müssen, und das dritte und vierte Stück – nicht einmal daran denken.
    «Schmeckt es Ihnen nicht?» fragt der alte Löschenkohl gekränkt. Aber das hat man gleich gemerkt, daß es nur
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