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Haus Ohne Hüter

Haus Ohne Hüter

Titel: Haus Ohne Hüter
Autoren: Heinrich Böl
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Deutscher Taschenbuch Verlag
    Das Buch

    Die beiden zwölfjährigen Schulfreunde Heinrich und Martin haben ihre Väter, die im Krieg gefallen sind, nie gekannt. Heinrich wächst in bedrückend ärmlichen Verhältnissen auf. Viel zu früh wird er in die Welt der Erwachsenen gestellt und muß Verantwortung übernehmen. Er leidet darunter, daß seine Mutter zum wiederholten Male in einer »Onkel Ȭ Ehe« lebt. Sein Freund Martin kennt keine finanzielle Not. Martins Mutter ist die vermögende Witwe eines anerkannten Dichters. Aber auch er fühlt sich allein gelassen und ahnt, daß seiner Mutter bei allem Wohlstand etwas fehlt. Äußerst einfühlsam beschreibt Böll die Probleme und Nöte dieser beiden Jungen, die zudem mit den Schwierigkeiten der beginnenden Pubertät fertig werden müssen. Ihre und ihrer Mütter Schicksale stehen stellvertretend für die vom Krieg heimgesuchte Generation. Es geht aber auch, wie es bei der Erstveröffentlichung dieses Romans in einer Besprechung der »Deutschen Zeitung< hieß, »um traditionelle Bindungen, deren Verfall selbst die Mütter nicht mehr aufhalten können. Gegen das nervöse Glitzern eines neuen Wohlstandes erhebt sich das dunkle Gefühl, daß die Welt ebenso fragwürdig sei wie zuvor. Böll gehört zu den wenigen Schriftstellern, die hinter dem vordergründigen Lächeln dieser Epoche von Unruhe um den Menschen bewegt sind.«

    Der Autor

    Heinrich Böll, am 21. Dezember 1917 in Köln geboren, war nach dem Abitur Lehrling im Buchhandel. Im Krieg sechs Jahre Soldat. Danach Studium der Germanistik. Seit 1949 veröffentlichte er Erzählungen, Romane, Hör Ȭ und Fernsehspiele, Theaterstücke und ist auch als Übersetzer aus dem Englischen tätig. 1972 erhielt Böll den Nobelpreis für Literatur.

    Ungekürzte Ausgabe März 1981
    Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG,
    München © 1954 Verlag Kiepenheuer & Ȉ Witsch, Köln • Berlin ISBN 3 Ȭ 462 Ȭ 00058 Ȭ 6
    Umschlaggestaltung: Celestino Piatti Gesamtherstellung: C.H. Beck ȇ sche Buchdruckerei, Nördlingen
    Printed in Germany • ISBN 3 Ȭ 423 Ȭ 01631 Ȭ 0
1
    Wenn die Mutter in der Nacht den Ventilator laufen ließ, wurde er wach, obwohl die Gummiflügel dieser Luftmühle nur ein weiches Geräusch erzeugten: fluppendes Surren und manchmal ein Stocken, wenn die Gardine zwischen die Flügel geriet. Dann stand die Mutter auf, zog leise fluchend die Gardine aus dem Getriebe und klemmte sie zwischen die Türen des Bücher Ȭ schranks. Aus grüner Seide war der Schirm von Mutters Stehlampe: wasserhelles Grün, gelb unterstrahlt,und das Glas roten Weins, das auf dem Nachttisch stand, erschien ihm fast wie Tinte: dunkles, träge aussehendes Gift, das die Mutter in kleinen Schlucken nahm. Sie las und rauchte und nahm nur selten einen Schluck Wein.
    Er beobachtete sie durch die halbgeöffneten Lider hindurch, rührte sich nicht, damit sie nicht aufmerksam auf ihn werde, und verfolgte den Zigarettenqualm, der sich zum Ventilator hinzog: weiße und graue Rauchschichten, die vom Sog erfaßt, zerkleinert und von den weichen, grünen Gummiflügeln hinausbefördert wurden. Der Ventilator war groß wie die Ventilatoren in den Warenhäusern, friedlicher Surrer, der die Luft im Zimmer in wenigen Minuten reinigte. Dann drückte die Mutter auf den Knopf, der neben ihrem Bett an der Wand war, dort, wo das Bild des Vaters hing: lächelnder junger Mann mit Pfeife im Mund, viel zu jung, um der Vater eines elfjährigen Jungen zu sein. Der Vater war so jung wie Luigi im Eissalon, so jung wie der ängstliche, kleine neue Lehrer; viel jünger als die Mutter war er, die so alt war wie die Mütter anderer Jungen. Der Vater war ein lä Ȭ chelnder Jüngling, der seit einigen Wochen auch in seine Träume kam, anders als er auf dem Bild war: traurig zusammengesackte Gestalt, die auf tintigem Klecks wie auf einer Wolke saß, ohne Gesicht, und doch weinend wie einer, der schon Millionen Jahre wartet, in Uniform ohne Rangabzeichen, ohne Orden, plötzlich in seine Träume eingebrochener Fremdling, der anders war, als er ihn sich gewünscht hatte.
    Wichtig war, stillzuhalten, kaum zu atmen, die Augen nicht zu öffnen, denn dann konnte er an den Geräuschen im Hause er Ȭ
    kennen, wie spät es war: War von Glum nichts mehr zu hören, dann war es halb elf, war von Albert nichts mehr zu hören, war es elf. Meistens aber hörte er Glum noch im Zimmer darüber: den schweren, ruhigen Schritt, oder Albert, der im Zimmer nebenan bei der Arbeit leise pfiff, und oft
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