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Der Knochenmann

Der Knochenmann

Titel: Der Knochenmann
Autoren: Wolf Haas
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anders aus. Nur so kann ich es mir erklären, daß der Brenner auf seiner Fleischbank liegen geblieben ist und an etwas ganz anderes gedacht hat.
    Aber nicht daß du glaubst, daß sein Leben an ihm vorbeigezogen ist. Weil da heißt es immer, wenn man dem Tod in die Augen schaut, dann zieht schnell noch einmal dein ganzes Leben in einer Sekunde an dir vorbei: Kindergarten, Schule, Führerschein, langsame Verblödung, alles in ein bis zwei Sekunden wie in einem Film. Aber nichts da, ich werde dir sagen, was am Brenner in diesen zwei Sekunden, bis der Löschenkohl die Hacke wieder in der Höhe gehabt hat, vorbeigezogen ist.
    Weil sobald der Mensch mit seinem Leben abgeschlossen hat, wird er ja oft viel weiser und lockerer als in all den Jahren, wo er sich krampfhaft an sein bißchen Leben geklammert hat. Und aus dieser Situation heraus sind dem Brenner jetzt Zusammenhänge aufgefallen, die er aus der Verkrampfung heraus bestimmt nicht so schön zusammengebracht hätte.
    Eigentlich ein wunderschönes Gefühl, das muß ich schon sagen, wie sich das furchtbar komplizierte Durcheinander auf ein mal aufgelöst hat. Für den Brenner ist es jetzt richtig erhebend gewesen, wie er aus der Lockerheit heraus alles ganz mühelos verstanden hat. Wo sich sonst einer oft zuviel bemüht und es gerade deswegen nicht versteht.
    In den zwei Sekunden, die der Alte gebraucht hat, um die Hacke aus der Fleischbank zu reißen, ist dem Brennet noch einmal durch den Kopf gegangen, wie ihm die Jurasic Helene vor ein paar Stunden erzählt hat, daß der alte Löschenkohl keine richtige Gegenleistung für seine Millionen verlangt hat. So deutlich hat er ihre Stimme jetzt wieder gehört, daß man glauben hätte können, sie schaut oben beim eingeschlagenen Fenster herunter und erzählt es von dort aus noch einmal.
    Wie der alte Löschenkohl oft mehrmals in einer Woche zu ihr gekommen ist. Und wie er nie etwas von ihr verlangt hat. Außer daß sie sich vor ihn hinkniet und stapelweise seine Tausender auffrißt. Und wie die Jurasic Helene so in einem knappen Jahr das ganze Vermögen vom alten Löschenkohl aufgefressen hat, ist dem Brenner jetzt noch einmal durch den Kopf gegangen, während der Alte immer noch seine Hacke nicht aus der Fleischbank herausgebracht hat.
    Der Brenner hat jetzt auch verstanden, daß es dem Horvath sein Lebenstraum gewesen ist, als normale Kellnerin in die Oststeiermark zurückzugehen. Und wenn es heute um deinen Lebenstraum geht, dann gibst du ihn nicht wegen einem schmierigen Söldner-Vermittler auf. Außerdem hat es der Horvath verstehen können, daß sein Chef, der selber mit sechzehn in den Krieg gehetzt worden ist, aus dem Söldner-Vermittler Fleisch gemacht hat. Und es istjetzt alles auch nur ein unbewiesener Verdacht gewesen. Und da hat es der Horvath einfach nicht genauer wissen wollen und die panierten Fleischstücke nach dem ersten Verdacht nie mehr gekostet, sondern sich nur mehr von Frankfurtern ernährt, ist es dem Brenner durch den Kopf gegangen, wie der Alte mit der linken Hand die Hacke vorn bei der Klinge angegriffen hat, damit er sie leichter aus der Fleischbank herausbringt.
    Jetzt ist dem Brenner aus der Lockerheit heraus auch klargeworden, daß es von Anfang an nicht die Knochenmehlmaschine, sondern das alte Kühlhaus gewesen ist, was da unter seinem Fenster gesurrt hat. Und wieso die Löschenkohl-Schwiegertochter an dem Tag verschwunden ist, wo sie den Brenner angerufen hat. Daß sie sterben hat müssen, weil sie einen Verdacht gehabt hat. Leider einen richtigen Verdacht, ist es dem Brenner durch den Kopf gegangen, statt daß er schnell sein Leben hätte vorbeiziehen lassen in den zwei Sekunden, die er noch gehabt hat, bis der Löschenkohl die Hacke wieder aus der Fleischbank heraußen gehabt hat.
    Weil es hat ja gar nicht gestimmt, daß der Söldner-Vermittler, mit dem der Alte vor einem halben Jahr so radikal abgeflogen ist, nie mehr beim Löschenkohl aufgetaucht ist. Er ist nur nicht mehr wiederzuerkennen gewesen, wie ihn die Lebensmittelpolizisten aus der Knochenmehlmaschine geklaubt haben. Und wie der Gummiproduzent Marko dann die Kellnerin angeschrien hat, daß er weiß, von wem die Knochen sind, hat der alte Löschenkohl natürlich schnell sein müssen. Weil der Marko ist ja selber einer von den Geschäftemachern mit den Kriegsherrn gewesen, der hat wirklich gewußt, daß der Söldner-Vermittler über Nacht verschwunden ist.
    Aber interessant, daß ein Mörder so viele Fehler machen kann und
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