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Der Knochenmann

Der Knochenmann

Titel: Der Knochenmann
Autoren: Wolf Haas
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noch die Sirene ein. Um halb fünf in der Früh! Aber der Brenner hat nicht lang Zeit gehabt, daß er sich Sorgen um die Steirer macht, die um ihren Schlaf gebracht werden. Weil die Rettung hat jetzt noch einmal ihr Tempo verschärft. Er hat sich aber nicht abschütteln lassen, in ihm ist jetzt der Ehrgeiz erwacht, und er hat sich gedacht, von einem Radkersburger Freiwilligen lasse ich mich nicht abhängen.
    Dann schon die Ortstafel von St. Martin, Ortsdurchfahrt Tempo 50, aber die Rettung und der Brenner sind mit 150 durch St. Martin gezwitschert. Und dann endlich am Ortsausgang der Bauernhof vom Gummiproduzenten Marko.
    Und dann stoppt die Rettung, und dann stoppt der Brenner, und dann springen die Türen von der Rettung auf, links und rechts gleichzeitig, und zwei Uniformierte hüpfen heraus, daß du glaubst: Überfallkommando.
    Und dann ein Donnerwetter, furchtbar, oder genauer gesagt ist es so gewesen:
    Wie der Rettungsfahrer aus seinem Auto gesprungen ist, ist er dem Brenner gleich bekannt vorgekommen. Und kein Wunder, weil es ist der Franz Tecka gewesen, der Mittelstürmer vom FC Klöch. Ein Riegel, fast so groß wie der alte Löschenkohl, fast so breit wie der Brenner. Sein Vater ist Holzknecht gewesen, sein Großvater ist Holzknecht gewesen, und sein Urgroßvater ist Holzknecht gewesen. Und was ist der Tecka Franz gewesen? Sekretär im Lagerhaus.
    Weil sein Vater hat gesagt, mein Bub soll es einmal besser haben, da hat der Franz die Handelsschule gemacht, und dann ein sitzender Beruf am Computer. Energie wie ein Stier, aber den ganzen Tag nur die Finger bewegen, jetzt wohin mit der Energie?
    Normalerweise ist das Fußballtraining gut, aber gegen Oberwart hat sich der Franz die Bänder im linken Knie gezerrt. Jetzt den ganzen Tag nur tippen und am Abend kein Training.
    Ich sage das nur, weil du es dann vielleicht besser verstehst, wieso der Franz Tecka aus dem Rettungsauto hüpft und wie wild auf den Porsche zurennt und die Tür aufreißt.
    Aber statt daß er losschreit, ist er vollkommen still gewesen. Und das war vielleicht die Stille, die der Vater vom Franz Tecka immer gemeint hat, wenn er vom Baumfällen erzählt hat. Im letzten Augenblick, bevor der Baum umfällt, eine totale Stille. So total still ist jetzt der Tecka gewesen, daß man sogar das leise Schmatzen gehört hat, wie ihm vor Überraschung die Kinnlade hinuntergefallen ist.
    Weil im Porsche ist nicht der Porsche-Pauli gesessen, der ihn vorher angerufen hat. Und dem er gerade ins Gesicht schreien hat wollen, daß es strengstens verboten ist, hinter einem Einsatzfahrzeug herzufahren, und ob er den Führerschein in der Lotterie gewonnen hat. Sondern hinter dem blutverschmierten Lenkrad ist der Mann mit dem abgehackten Finger gesessen, von dem ihm der Paul am Telefon erzählt hat. Und der Franz Tecka hat sich jetzt gefragt, wozu fahre ich wie der Teufel von Radkersburg nach St. Martin herauf, wenn der Verletzte hinter mir herfährt?
    Aber alles natürlich Riesenmißverständnis. Der Brenner erklärt dem Tecka mit ein paar Worten, daß er nicht für sich die Rettung gerufen hat, sondern für den Halbverhungerten im Bauernhof vom Fabrikanten Marko. Aber der Bauernhof ist natürlich abgeschlossen, und der Brenner sagt dem Tecka, er soll gefälligst den Bauernhof aufbrechen.
    Jetzt protestiert aber der Beifahrer vom Tecka, der Sanitäter Laireiter. Der Laireiter ist eigentlich der Chef von den beiden gewesen, und ganz korrekt sagt er: «Tür aufbrechen kommt nicht in Frage. Das dürfen wir nicht. Da würden wir schlecht aussehen, gesetzlich.»
    «Wollt ihr den Mann drinnen lieber sterben lassen?» schreit der Brenner.
    «Woher wissen Sie überhaupt, daß jemand da drinnen ist?» sagt der Laireiter.
    Der Brenner hat gleich gemerkt, daß mit dem Laireiter nichts zu machen ist. Mit so einem Paragraphenreiter kannst du streiten bis zum Jüngsten Tag. Und noch dazu hat der Brenner gespürt, daß er selber nicht mehr lange durchhält. Weil unglaublich, daß man über den kleinen Finger so viel Blut verlieren kann. Deshalb hat er sich doch wieder an den Tecka gewandt: «Wenn du jetzt die Tür eintrittst, kannst du einem Menschen das Leben retten.»
    Aber sofort mischt sich wieder der Laireiter ein: «Da müssen wir die Polizei holen. Und die Polizei wird dann die Feuerwehr holen, und die Feuerwehr wird dann die Tür aufbrechen.»
    Aber der Brenner hat den Laireiter nicht beachtet. Er hat gemerkt, daß es den Tecka schon ein bißchen juckt, die Tür
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