Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
morgens wach.«
    »Nein.« Er schwieg einen Moment. »Da bin ich aufgewacht, ja. Aber dann bin ich wieder eingedöst. Ich habe fest geschlafen. Hast du den Anrufbeantworter abgehört?«
    »Ja«, sagte Thom. »Keine Nachricht von ihm.«
    »Er hat gesagt, daß er am Vormittag vorbeikommt.«
    »Und jetzt ist es erst kurz nach elf. Vielleicht sollten wir noch ein bißchen abwarten, ehe wir den Seenotrettungsdienst verständigen. Was meinst du?«
    »Hast du telefoniert?« fragte Rhyme unvermittelt. »Vielleicht hat er angerufen, als du am Apparat warst.«
    »Ich habe nur mit -«
    «Habe ich irgend etwas gesagt?« fragte Rhyme. «Jetzt bist du wütend. Ich habe doch gar nicht gesagt, daß du nicht telefonieren sollst. Das darfst du durchaus. Das durftest du schon immer. Ich will damit nur sagen, daß er angerufen haben könnte, wahrend du telefoniert hast.«
    »Nein, du willst damit sagen, daß du heute morgen beschissen gelaunt bist.«
    «Da haben wir's wieder. Weißt du, es gibt da so ein Ding - eine Doppelschaltung. Damit kann man zwei Anrufe auf einmal entgegennehmen. Ich wünschte, wir hätten das. Was will denn mein alter Freund Lon? Und sein Freund, der Baseballspieler?«
    »Frag sie doch.«
    »Ich frage dich.«
    »Sie möchten dich sprechen. Mehr weiß ich auch nicht.«
    »Wägen etwas sähr Wichtichem.«
    »Lincoln.« Thom seufzte. Der gutaussehende junge Mann fuhr sich mit der Hand durch die blonden Haare. Er trug eine braune Hose, ein weißes Hemd, dazu einen blau geblümten Schlips, tadellos gebunden. Er könne jederzeit Jeans und T-Shirt tragen, wenn er wolle, hatte Rhyme gesagt, als er Thom vor einem Jahr eingestellt hatte. Aber er war jeden Tag einwandfrei gekleidet gewesen. Rhyme wußte nicht genau, inwiefern das bei seinem Entschluß, den jungen Mann zu behalten, eine Rolle gespielt hatte, aber es hatte auf jeden Fall dazu beigetragen. Keiner von Thoms Vorgängern hatte länger als sechs Wochen durchgehalten. Die einen, etwa die Hälfte, hatten von sich aus gekündigt, und die anderen hatte er gefeuert.
    »Na schön, was hast du ihnen gesagt?«
    «Ich habe ihnen gesagt, sie sollen mir fünf Minuten Zeit lassen, damit ich dafür sorgen kann, daß du halbwegs anständig aussiehst, dann könnten sie raufkommen. Kurz.«
    »Das hast du getan. Ohne mich zu fragen. Vielen Dank.«
    Thom zog sich ein paar Schritte zurück und rief über die schmale Treppe hinab: »Kommen Sie, meine Herren.«
    »Die haben dir was erzählt, oder?« sagte Rhyme. »Du verheimlichst mir etwas.«
    Thom antwortete nicht, und dann sah Rhyme die Männer hochkommen. Als sie das Zimmer betraten, ergriff Rhyme das Wort. »Zieh die Vorhänge zu«, sagte er zu Thom. »Du hast die Vögel schon viel zu sehr aufgeregt.«
    Was in Wahrheit hieß, daß er genug von der grellen Sonne hatte.
    Stumm.
    Sie konnte kein Wort sagen, weil sie das widerliche, stickige Klebeband über dem Mund hatte, und das beeinträchtigte sie weit mehr als die eisernen Handschellen, die ihre Gelenke einschnürten. Dann griff er mit seinen kurzen, kräftigen Fingern nach ihrem Bizeps.
    Der Taxifahrer, der immer noch die Skimaske trug, führte sie durch einen schmutzigen, feuchten Korridor, vorbei an allerlei Rohren und Leitungen. Sie waren im Keller eines Bürogebäudes. Sie hatte keine Ahnung, wo.
    Wenn ich bloß mit ihm reden könnte ...
    T. J. Colfax war eine Zockerin, die ausgebuffteste im ganzen zweiten Stock von Morgan Stanley's. Die konnte verhandeln.
    Geld? Sie wollen Geld? Ich besorge Ihnen Geld, jede Menge, mein Junge. Haufenweise. Immer wieder dachte sie daran, suchte seinen Blick, als könnte sie es ihm suggerieren.
    Bittebittebitte, betete sie stumm und überlegte sich dabei, daß sie sich ihre Lebensversicherung auszahlen lassen und ihm ihre Rücklagen fürs Alter geben könnte. Ach bitte ...
    Sie dachte an letzte Nacht - als sich der Mann vom Feuerwerk abgewandt, sie aus dem Taxi gezerrt und mit Handschellen gefesselt hatte. Er hatte sie in den Kofferraum geworfen und war dann wieder losgefahren. Erst über holpriges Kopfsteinpflaster und rissigen Asphalt, dann über glatte Straßen, ehe es wieder holprig geworden war. Am Surren der Reifen hatte sie erkannt, daß sie eine Brücke überquerten. Danach weitere Kurven, noch mehr holprige Straßen. Schließlich war der Fahrer ausgestiegen und hatte offenbar ein Tor oder irgendwelche Türen geöffnet. Ihrer Meinung nach war er in eine Garage gefahren. Der ständige Lärm der Großstadt war plötzlich abgerissen, und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher