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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst
Autoren: Peter Prange
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Weib, und
eine jegliche habe ihren eigenen Mann. Der Mann leiste dem Weib die schuldige
Freundschaft, desgleichen das Weib dem Manne.«
    Kein Kuss war so süß wie der Kuss, welchen die
Brautleute vor meinen Augen miteinander tauschten. Und kein Wort war so
köstlich wie das Wort, welches die zwei einander gaben: Ich liebe dich … Müssen
zwei Menschen mehr voneinander wissen? So viel und so oft haben Teofilo di
Tusculo und Chiara di Sasso miteinander geredet und gestritten, und sich doch
immer wieder ineinander geirrt. Dank Deiner Güte und Gnade aber, himmlischer
Vater, ist diese Zeit der Irrungen und Wirrungen vorbei. Von nun an sind diese
Deine Kinder ein Fleisch und eine Seele, ein Leib und ein Blut, und es wird
kein Geheimnis mehr zwischen ihnen sein, weil sie gemeinsam nun im größten
Geheimnis geborgen sind, welches Du uns Menschen gegeben hast, im
allumfassenden Geheimnis der Liebe.
    Â»Der Friede des Herrn sei alle Zeit mit Euch.«
    Bevor ich die Feder beiseite lege und zur Nacht
in den Schlaf sinke, danke ich Dir, allmächtiger Schöpfer und Vater im Himmel,
dass ich Dein Werkzeug sein durfte, um die zwei Liebenden zu trauen, und
wiederhole hier noch einmal jenen Segen, mit welchem ich Teofilo di Tusculo und
Chiara di Sasso aus meiner geliebten Klosterkirche von Grottaferrata in die
Welt entließ, in der Hoffnung und Zuversicht, dass Du die beiden heute und
fortan auf all ihren Wegen mögest begleiten.
    Â»Gehet hin in Frieden!«
    3
    Â»Dank sei Gott dem Herrn.«
    Ich hatte Abt Bartolomeos Aufzeichnung noch nicht aus den Händen
gelegt, da schlugen die Glocken von St. Peter zur vollen Stunde. Mich meiner
Pflichten jäh erinnernd, blickte ich auf meine Armbanduhr. Die Zeit drängte –
schon in einer halben Stunde würde die Sitzung der Kongregation beginnen.
    Zum Glück war mein Weg nicht weit. Rasch sammelte ich die
wichtigsten Unterlagen ein, die ich für mein Plädoyer brauchte, duschte und
rasierte mich, und zwanzig Minuten später verließ ich meine Wohnung, um zum
Vatikan zu eilen.
    Was sollte ich meinen Kardinals- und Bischofskollegen empfehlen?
Reichten die Fakten, die ich beim Studium in dieser Nacht zutage gefördert und
in meinem Auszug versammelt hatte, wirklich aus, um einen Prozess zu Benedikts
Seligsprechung einzuleiten?
    Die übrigen Mitglieder der Kongregation waren schon vollzählig
versammelt, als ich den Konferenzraum betrat. Bei meiner Ankunft verstummten
die Gespräche, und kaum hatte der Vorsitzende, Kardinalpräfekt Contadini, die
Sitzung eröffnet, richtete er das Wort an mich.
    Â»Haben Sie sich aus den Unterlagen ein ausreichendes Bild machen
können?«, wollte er von mir wissen.
    Â»Durchaus, Eminenz«, bestätigte ich.
    Â»Und – zu welchem Schluss sind Sie gekommen? Kann von einem
wirklichen Wunder die Rede sein, das Papst Benedikt, vulgo Teofilo di Tusculo, in seinem Leben gewirkt hat? Von einem Wunder im Sinn der
heiligen katholischen Kirche?«
    Während ich mir meine Worte sorgsam überlegte, schaute ich in die
erwartungsvollen Gesichter der um mich versammelten Glaubensanwälte und
Offizialprälaten. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, war ich selbst kaum
weniger gespannt auf meine Antwort als meine Kollegen.
    Â»Nun«, sagte ich schließlich, »ich glaube, verstanden zu haben,
welches Wunder sich im Leben dieses Mannes offenbart hat. Es ist das Wunder der
Liebe, die Gott über uns Menschen ausgeschüttet hat und immer wieder
ausschüttet und die uns Menschen untereinander verbindet. Durch diese Liebe
wurde es möglich, dass Teofilo di Tusculo, ein Mann, der zeit seines Lebens
unter dem Fluch einer vermeintlichen Erwähltheit litt, nach schlimmsten
persönlichen Verfehlungen in neuer Gestalt wiedergeboren wurde und zurück auf
den Weg des Heils fand. Doch nicht in seinem Amt als Stellvertreter Gottes,
sondern als einfacher, schlichter Mensch, mit all den Möglichkeiten und
Gefährdungen, die jedem menschlichen Leben innewohnen.«
    Â»Ich protestiere aufs Schärfste!«, rief Paul Mortimer, der jugendliche,
zur Hitzigkeit neigende Bischof von Chicago. »Was Sie ›Verfehlungen‹ nennen,
waren schlimmste Verbrechen. Teofilo di Tusculo hat während seines Pontifikats
nichts als Not und Verderben über sein Volk gebracht.«
    Â»Das hat er, allerdings«, erwiderte ich. »Aber es gibt Gründe für
die Annahme, dass er dabei ein
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