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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst
Autoren: Peter Prange
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bei allen
Heiligen ist das?«
    Â»Die Frau, die Teofilo di Tusculo aus den Fängen des Bösen befreit
hat«, erwiderte ich, selber überrascht, wie selbstverständlich mir meine
Auskunft über die Lippen kam. »Sie hat durch ihre Liebe zu Benedikt den Teufel
besiegt, in der gefährlichsten Gestalt, die Satan vielleicht je angenommen hat:
in Gestalt des Papstes, in Gestalt von Gottes eigenem Stellvertreter.« Ich
machte eine Pause, um die Wirkung meiner Worte auf die Mitglieder der Versammlung
abzuwarten. Dann fügte ich hinzu: »Darum bitte ich den Heiligen Stuhl,
offiziell zu erklären, dass Chiara di Sasso in die himmlische Glorie
eingegangen ist und öffentliche Verehrung verdient.« Zum Zeichen der Demut vor
meinem Amt senkte ich mein Haupt und schlug das Zeichen des Kreuzes. »Amen – so
soll es sein!«

DICHTUNG UND WAHRHEIT
    Ja, es gab ihn wirklich, den Kinderpapst. Teophylakt III . von Tuskulum war sein Name, und er war noch im
Knabenalter, als er vor fast tausend Jahren als Benedikt IX .
den Heiligen Stuhl bestieg. Durch Bestechung der Wählerschaft ins Amt gehoben,
sollte er die Vormachtstellung seiner Familie in Rom garantieren. Und obwohl
seine Spuren sich im Dunkel der Geschichte beinahe verloren, versinnbildlicht
er bis heute das Rätsel des Papsttums, das Geheimnis und Faszinosum der Idee,
dass ein normaler, sterblicher Mensch Gottes Stellvertreter auf Erden sein
kann.
    Die Fakten, die aus dem Leben dieses Papstes überliefert sind,
lassen sich fast an einer Hand abzählen. Bereits das Jahr seiner Geburt ist in
der Forschung umstritten. Sicher ist nur, dass Benedikt IX .
im Jahr 1032 als Sohn des Tuskulanergrafen Alberich und Neffe der Päpste
Benedikt VIII . und Johannes XIX .
auf die Cathedra gelangte, mit Duldung durch Kaiser Konrad II . Doch wie alt war Theophylakt bei seiner
Thronbesteigung? Zeitgenössische Chronisten berichten, dass er bereits mit zehn
oder zwölf Jahren das Pallium verliehen bekam, jüngere Untersuchungen hingegen
gehen von einem Alter zwischen vierzehn und zwanzig Jahren aus. In meinem Roman
habe ich mich an die Angaben der Zeitgenossen gehalten. Warum sollten rückwirkende
Deutungen aus einem Jahrtausend Abstand verlässlicher sein als
Chronistenberichte? Mit dieser Entscheidung befinde ich mich in bester
Gesellschaft: Auch Prof. Dr. Joseph Ratzinger, Papst Benedikt XVI ., geht in einem seiner Bücher davon aus, dass sein
Amtsvorgänger im Alter von zwölf Jahren zu Gottes Stellvertreter erhoben wurde.
    Was aber heißt das – Gottes Stellvertreter? Was bedeutet es für
einen Menschen, seine eigene Identität aufzugeben und sich als das Verbum incarnatum zu begreifen, das Fleisch gewordene Wort?
Ein fehlbarer, mit allen Schwächen behafteter Mensch, der anstelle von Jesus
Christus den Willen Gottes auf Erden nicht nur erfüllen, sondern überhaupt erst
formulieren soll – was für ein ungeheuerlicher, unfassbarer Gedanke! Und was
für eine entsetzliche Bürde …
    Benedikt ist an dieser übermenschlichen Aufgabe gescheitert, wie ein
Mensch nur scheitern kann. Unter der Zumutung eines Amtes, das ihn über jeden
anderen Menschen erhob, wurde er zum Unmenschen. Sein Pontifikat gilt als eines
der grausamsten der Kirchengeschichte. Während Rom in Not und Elend versank,
führte er im Lateran, so ein Zeitgenosse, »das Leben eines türkischen Sultans« – »ein Dämon aus der Hölle, der sich in der Verkleidung eines Priesters auf den
Stuhl Petri gesetzt hat«. Dreimal wurde er aus seinem Amt vertrieben, dreimal
kämpfte er sich in sein Amt zurück. Von Pontifikat zu Pontifikat verstrickte er
sich immer tiefer in Sünde und Schuld. Seine Herrschaft war geprägt von
Blutvergießen: Er mordete und zettelte Kriege an, brach Verträge und verprasste
das Geld, das er seinem Volk abquetschte, mit Huren und Konkubinen. Zwei
Gegenpäpste rief er durch seine Schandtaten auf den Plan – ja, er verkaufte
sogar das heiligste Amt der Kirche an seinen Taufpaten. Es gibt keine Sünde,
die er nicht begangen hat, und statt mit Jesus Christus schien er bisweilen
eher mit dem Teufel im Bunde.
    Aber ist das die ganze Wahrheit dieses Papstes? Neuere Forschungen
zeigen, dass Benedikt auch andere Züge hatte, vielleicht sogar ein zweites Gesicht.
Vor dem Hintergrund des Investiturstreits zwischen weltlicher und geistlicher
Macht errang Benedikt in noch jungen
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