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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst
Autoren: Peter Prange
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di Sasso sich erfüllt?
    Noch einmal prüfte und wendete ich jedes Schriftstück, in der
Hoffnung, dass den beiden das Wunder, das sich an ihnen vollzogen hatte, selber
zum Geschenk geworden war. Ich wusste selber nicht, was mich antrieb, aber es
war mir plötzlich ein Herzenswunsch, als hinge auch mein eigenes Schicksal ein
kleines bisschen vom Ausgang ihrer Liebe ab.
    Es war ein Puzzlespiel aus vielen kleinen Hinweisen. Versteckt
zwischen den Seiten eines Haushaltsbuchs entdeckte ich ein Dokument, dass die
Übereignung des englischen Peterspfennigs von Chiara di Sasso an das Kloster
von Grottaferrata bezeugte, »zum Zweck der Armenpflege«, hatte der Chronist am
Rand notiert … Demnach hatte Chiara also nicht den Schleier genommen, um selber
ein Kloster zu gründen? … Wie ein Jäger, der die Spur eines scheuen Wildes
erahnt, forschte ich weiter. Aus einer Urkunde, die von Papst Leo
unterschrieben war, ging hervor, dass der neue Pontifex Benedikts
Rückversetzung in den Laienstand bestätigt hatte, zusammen mit der Aufhebung
seiner Exkommunikation … Warum hatte Teofilo diesen Schritt getan? Weil er
heiraten wollte? … Und in den Sterbedokumenten des Tuskulanerpapstes aus dem
Jahr 1055 war von einem Knaben namens Domenico die Rede, der, »einem Sohne
gleich«, bei der Beisetzung des Verstorbenen geweint und getrauert habe,
zusammen mit seiner Mutter … Durfte ich daraus schließen, dass Teofilo die
letzten Jahre seines Lebens in ehelicher Gemeinschaft mit Chiara und Nicchino
verbracht hatte?
    Bei der Vorstellung, den letzten Beweis zu finden, begann mein Herz
heftig zu pochen, und wieder hellwach, sichtete ich die wenigen noch
verbleibenden Schriftstücke, lose Seiten aus einem Kirchenregister, entzifferte
halb verblichene Notate, verglich Einträge aus verschiedenen Jahren und
Jahrzehnten miteinander, bis ich schließlich auf ein Pergament stieß, das der
Unterschrift zufolge niemand anders ausgefertigt hatte als Abt Bartolomeo, Chiaras
Beichtvater und Vorsteher des Klosters von Grottaferrata.
    2
    Im Namen des Vaters und des Sohnes und des
Heiligen Geistes.
    Gelobter Gott, allmächtiger Schöpfer, Vater der
Ewigkeit, Fürst des Friedens, Herr des Himmels und der Erde – kein Ehrentitel, welchen
die Propheten und Apostel Dir verliehen haben, vermag Deine Herrlichkeit zu
preisen, so wenig wie die dürren Worte, die Deinem unwürdigen Diener zu Gebote
stehen, einen Abglanz jener Glückseligkeit widerzuspiegeln vermögen, welche an
diesem Abend so vollkommen von mir Besitz ergriffen hat, dass ich keinen Schlaf
finden kann, bevor ich niedergeschrieben habe, was mich in meinem Herzen
bewegt.
    Am heutigen Tage, dem 22. März im Jahre des Herrn
1050, wurde mir die übergroße Freude zuteil, Deinen verlorenen Sohn, Teofilo di
Tusculo, vormals Seine Heiligkeit Papst Benedikt IX ., mit seiner Cousine Chiara
di Sasso, Witwe des Crescentiers Domenico, in den heiligen Stand der Ehe zu
geben.
    Â»Wenn ich mit Engelszungen redete, hätte aber die Liebe nicht , so wäre ich nur ein tönendes Erz oder eine gellende Zimbel.«
    Tränen rannen an meinen Wangen herab, als die
zwei Brautleute sich in meiner geliebten Klosterkirche das Jawort gaben, vor
dem Altar des Heiligen Nilus. Girardo di Sasso, der schon greise Vater der
Braut, hat den Akt mit seiner Unterschrift bezeugt, wie auch Chiara di Sassos
Freundin und Zofe Anna, wiewohl diese schlichte Magd nur mit drei Kreuzen
anstelle ihres Namens zeichnen konnte. Es war wohlgetan, haben doch beide ihr
Teil dazu beigetragen, dass Dein Wille geschah!
    Â»Und Gott der Herr sprach: Es ist nicht gut, dass
der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen.«
    Ja, großer und gütiger Gott, wie einst dem Adam
hast Du auch diesem Deinem Sohn, der nicht vom Heiligen Geist, sondern von
eigensüchtigen Menschen zum Stellvertreter Jesu Christi bestellt worden war,
ein Weib zur Seite gegeben, um ihn aus seiner Not und Seelenpein zu erlösen.
Chiara di Sasso hat Teofilo di Tusculo vor der schlimmsten Sünde bewahrt, der
Sünde der Selbstentleibung, für die es keine Heilung gibt; ohne ihre Mitwirkung
am Plan Deiner Vorsehung wäre er unweigerlich der ewigen Verdammnis
anheimgefallen. Und zugleich hast du dieser Frau, der doch kein Nonnenfleisch
gegeben ist, ein Los erspart, das ihr so fremd und falsch gewesen wäre wie
einem Fisch das Fliegen.
    Â»Darum habe ein jeglicher sein eigen
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