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Der Khmer-Job

Der Khmer-Job

Titel: Der Khmer-Job
Autoren: Barry Eisler
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dir und deiner Familie ein wenig unter die Arme greifen. Ich erwarte kein Quidproquo.«
    »Quidproquo?«
    »Einen Tausch. Wechselseitig. Du weißt schon, eine Gegenleistung.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich sollte das Geld nicht nehmen. Ich habe ja nicht einmal … wir haben nicht …«
    »Schon gut. Ich habe unsere Unterhaltung genossen. Ich würde das gerne wiederholen, wenn du mir deine Telefonnummer gibst.«
    Das tat sie. Und seitdem hatten sie sich jeden Tag nach der Universität getroffen, und sie war jede Nacht bei ihm im Hotel geblieben. Der zweite Abend wurde ein wenig kompliziert. Er sah, dass sie willig war, aber er war nicht sicher, ob sie es wirklich tun wollte. Und er befürchtete, dass sie sich ihm verpflichtet fühlte, weil er ihr Geld gegeben hatte. Das war nicht seine Absicht gewesen. Also unterhielten sie sich eine Weile, dann las er ein Buch, während sie lernte, und am Ende kuschelten sie, aber mehr nicht. Sie schliefen in Löffelchenstellung ein. Sie lag vorne und er wusste, dass sie seinen Ständer durch seine Jeans an ihrem Hintern spüren konnte. Er war froh, dass sie merkte, wie sehr er sie begehrte und sich trotzdem zurückhielt. Als sie am Morgen ging, gab er ihr wieder einen Hunderter, und seitdem schien es sich zu einer netten Gewohnheit entwickelt zu haben. Vielleicht würden sie sich lieben, bevor er das Land verließ, vielleicht auch nicht. So oder so, ihm war es recht.
    Er hatte ihr gesagt, dass er heute zu einer Besprechung müsse. Sie interessierte sich nicht dafür, worum es ging, hatte lediglich gefragt, ob er sie am Nachmittag sehen wollte, wie sie es bisher immer gehalten hatten. Das hatte er bejaht. Er fragte sich, wie sie ihn wohl einschätzte. Ein reicher Ausländer konnte ihre Fahrkarte aus der Armut bedeuten – verdammt, für ihre ganze Familie. Aber sie legte es nicht darauf an. Vielleicht war sie nicht sicher, ob sie ihm trauen konnte. Vielleicht hatte sie Angst, er würde ihr einen Haufen Versprechungen machen, um sie dann mit ein paar Scheinen abzuspeisen und sich ohne Abschied davonzumachen. Vielleicht war sie auch genau wie er zu dem Schluss gekommen, dass man manchmal so tun musste, als ob etwas echt sei, selbst wenn man sich nicht sicher sein konnte. Der Gedanke, dass sie an ihm zweifelte, beunruhigte ihn ein wenig.Noch mehr störte ihn, dass sie dazu allen Grund hatte. Aber er wusste nicht, was er dagegen hätte unternehmen können.
    Er dehnte sich und ließ die Fingerknöchel über dem Kopf knacken. Immer noch keine Spur von dem Agenten, aber das war in Ordnung, es war erst zehn vor zwölf. Er wusste nicht einmal, wie der Mann aussah, nur, dass er sich Gant nannte und ein ehemaliger Kamerad von den Marines sich für ihn verbürgt hatte. »So eine Art Spion«, hatte sein Kumpel ihm versichert. »CIA, würde ich sagen. Könnte aber auch der Heimatschutz sein oder sogar die NSA. Irgendjemand, der die Drecksarbeit outsourct. Egal, bei welchem Verein er ist, er hat was zu sagen. Hardware- und logistikmäßig kannst du alles von ihm haben, er beschafft es dir in null Komma nichts. Und er bezahlt mit harten Dollars.«
    Dox blätterte in seinem
Lonely Planet
-Führer und hob nur gelegentlich den Blick, um unauffällig seine direkte Umgebung zu überprüfen. Ein paar japanische Touristen, deren Kameras klickten, obwohl überall Schilder hingen, dass das Fotografieren der Exponate aus der Periode von Angkor Wat verboten war. Eine Khmer-Mutter mit zwei kleinen Kindern, die in der Kühle des Verandaschattens ein Picknick veranstalteten. Seit seiner Ankunft hatte er kaum ein paar Dutzend Leute gesehen und ihm drängte sich der Eindruck auf, dass das Museum über wesentlich mehr Artefakte als Besucher verfügte. Hier herrschte eine seltsame Atmosphäre – schläfrig, halb vergessen, irgendwie provisorisch, als ob die Kuratoren jederzeit damit rechneten, plötzlich alles in Kisten verpacken und in unterirdische Bunker verfrachten zu müssen. Die Angewohnheiten des Krieges, dachte Dox. Nicht nur die Soldaten wurden sie nach dem Ende eines bewaffneten Konflikts nicht mehr los. Zivilisten litten genauso darunter, vielleicht sogar noch mehr.
    Er mochte Kambodscha. Er hatte noch keinen Ort in Südostasien kennengelernt, der ihm nicht gefallen hätte, und es war kein Zufall, dass er sich in Bali niedergelassen hatte. PhnomPenh war heruntergekommen und heiß und bettelarm, und die alten Kolonialgebäude rotteten stoisch in der tropischen Feuchtigkeit vor sich hin, während die
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