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Der Khmer-Job

Der Khmer-Job

Titel: Der Khmer-Job
Autoren: Barry Eisler
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Dox saß auf einer der Steinbänke, die den offenen Innenhof im Zentrum von Phnom Penhs Nationalmuseum säumten. Insekten summten in der tropischen Vegetation herum und die Dezemberluft war angenehm warm. Der Agent hatte gesagt, er solle um zwölf Uhr da sein, aber Dox war bereits um kurz nach acht eingetroffen, als das Museum öffnete. Zu seinen Glanzzeiten hatte er manchmal ein halbes Dutzend Sonnenuntergänge hintereinander in einem Scharfschützenversteck verbracht – bei Kälte, Nässe, ganz egal. Ein paar Stunden auf einer kühlen, schattigen Veranda waren im Vergleich dazu gar nichts, nur eine billige und bequeme Vorsichtsmaßnahme gegen unliebsame Überraschungen.
    Nicht, dass er mit Schwierigkeiten gerechnet hätte. Wie viele Heckenschützen gab es schon, die auf jede Entfernung und unter allen Bedingungen einen Kopfschuss so zuverlässig ins Ziel setzen konnten wie er? Ein paar aktive Soldaten, klar, aber es gab eine Menge Jobs, die Uncle Sam erledigt haben wollte, ohne damit in Verbindung gebracht werden zu können. Und in diesem Fall griff man lieber auf private Auftragnehmer zurück, idealerweise einen diskreten Alleinunternehmer anstelle der großen Firmen mit ihrer schlechten Presse. Für die Mächtigen dieser Welt war ein Killer wie er lebendig wesentlich wertvoller als tot.
    Andererseits hatte er auf die harte Tour lernen müssen, dass Leute, mit denen er persönlich keinen Streit hatte, sich wegen seines legendären Partners John Rain mit ihm anlegten. Denn der hatte trotz aller zweifellos guten Absichten die Angewohnheit, Leute, mit denen er Geschäfte machte, gegen sich aufzubringen. »Sei auf alles gefasst« war in dieser Branche eine ziemlich gute Maxime und im Augenblick bedeutete das: Verhalte dich so, als würde eine Armee namenloser Rambos nur darauf warten, dich wegzupusten, auch wenn du keine Ahnung hast, womit du das verdient haben könntest.
    Darum war er schon zehn Tage vor dem vereinbarten Termin in der Stadt eingetroffen. Das ließ ihm reichlich Zeit, sichmit den Verhältnissen vertraut zu machen und eine halbwegs glaubwürdige Tarnung aufzubauen. Das Nationalmuseum hatte er bereits zweimal besucht, dazu den Königspalast und die Silberpagode. Er hatte Schnappschüsse von allen möglichen Touristenattraktionen gemacht, und auch von den Straßen, die er methodisch auskundschaftete. Er war im Raffles abgestiegen, dem besten Hotel der Stadt, und hatte jede Nacht ein anderes Bargirl mit aufs Zimmer genommen. Mittlerweile hielt ihn das Hotelpersonal sicher für eine Art geilen Bock, der Phnom Penh als Billigversion von Bangkok für sich entdeckt hatte. Okay, vielleicht lag darin ja ein Körnchen Wahrheit, aber die beste Tarnung war immer eine, die möglichst dicht bei den Fakten blieb. Er hatte sich den Mädchen gegenüber großzügig gezeigt, während er mit ihnen zusammen war und auch danach, und er dachte, sollte die Kacke mal am Dampfen sein, würden sie im Polizeiverhör seine Geschichte bestätigen. Nicht optimal, aber »Ja, stimmt, ich bin wegen der hiesigen Schönheiten hier« war alle Mal besser als »Scheiße, jetzt haben Sie mich aber erwischt, ich bin hier, um einen
Hombre
zu meucheln, von dem ich vor meiner Ankunft noch nie etwas gehört hatte.«
    Es war zwar eine gute Tarnung, sich in Phnom Penh als Sextourist auszugeben, und hatte zweifellos seine Annehmlichkeiten, aber dennoch fühlte er sich zwiespältig. Er wollte sich ausschließlich mit freischaffenden Mädchen abgeben. Ganz bestimmt würde er sein Geld niemandem in den Rachen schmeißen, der mit Kinderhandel oder Zwangsprostitution zu tun hatte. Kambodscha war berüchtigt dafür. Tatsächlich hatte er schon zweimal spätnachts in einem der zwielichtigeren Teile der Stadt mehrere sehr junge Mädchen vor einem düsteren Laden sitzen sehen. Ihre Wangen waren mit Rouge geschminkt, sie wirkten teilnahmslos, als wären sie betäubt worden, und er hatte das Gefühl, dass sie zum Verkauf standen. Aber was konnte man schon tun? Als er in Asien noch ein grüner Junge gewesen war, hatte ereinmal in einer Bar in Bangkok so einen Mistkerl niedergeschlagen, weil er eine Frau ohrfeigte. Wie sich herausstellte, war der Arsch ihr Zuhälter und mit dem Management der Bar auf Du und Du. Am Ende hatte Dox um sein Leben rennen müssen, verfolgt von einer Bande Türsteher mit Schlagstöcken, die ihrerseits zweifellos mit der örtlichen Polizei klüngelten. Wahrscheinlich hatte der Zuhälter, nachdem Dox die Flucht ergriffen hatte, die Frau
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