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Der Khmer-Job

Der Khmer-Job

Titel: Der Khmer-Job
Autoren: Barry Eisler
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noch ärger verprügelt. Schwer zu sagen. Und als er das erste Mal nach Indonesien kam, hatte er ungefähr der Hälfte aller Bettler in Jakarta Geld gegeben, ohne dass es sichtbare Wirkung zeigte. Irgendwann fühlte man sich, als würde man sich gegen eine Flutwelle stemmen. Man kam einfach nicht dagegen an und am Besten dachte man nicht zu viel darüber nach. Die Welt konnte ein übler, hässlicher Ort sein.
    Er sah unauffällig auf die Uhr – eine Traser H3, präzise, unempfindlich und funktionell, längst nicht so auffällig wie die gigantischen G-Shocks, die einige der Söldnertypen bevorzugten, als wären sie das angesagte Accessoire für schwarze Operationen. Noch eine halbe Stunde, vorausgesetzt der Agent kam pünktlich. Dox streckte die Beine aus und entspannte sich, erlaubte sich das Gefühl, ein Tourist zu sein. Natürlich war er passend für die Rolle gekleidet – Turnschuhe, Jeans und ein kurzärmliges Madrashemd – extragroß für seine Statur und über dem Hosenbund hängend, um die Gürtelscheide mit dem Messer zu verbergen, das er bei dem legendären kambodschanischen Hersteller Citadel Knives erstanden hatte. Er schätzte es nicht, wenn Fluglinien auf Reisen sein Gepäck in Geiselhaft nehmen konnten, deshalb rüstete er sich lieber vor Ort aus. Mit einer Institution wie Citadel gleich um die Ecke war das natürlich ideal. Es war ein wunderschönes Stück, handgefertigt, mit Khukri-Klinge und Horngriff. Vielleicht würde er es per Post nach Hause schicken, wenn die Arbeit hier erledigt war.
    Er merkte, dass er sich seltsam einsam zu fühlen begann. Er hatte zuletzt ziemlich viel Zeit mit einem netten Khmer-Mädchen namens Chantrea verbracht. Das bedeutete »Licht des Mondes«, hatte sie ihm gesagt. Er mochte den Namen, doch er war nicht halb so hübsch wie sie selbst. Vor fünf Nächten hatte er sie zum ersten Mal mit ins Hotel genommen. Ursprünglich wollte er sich diese Nacht freinehmen, blieb aber nach der Erkundung der Stadt abends in einer Bar namens
Café Mist
hängen, um sich bei einem Bier zu entspannen. Sie stand unübersehbar am anderen Ende des Tresens, mit ihren schwarzen, langen Haaren, die ihr bis auf die Schultern fielen, den ungewöhnlich großen Augen und der honigbraunen Haut. Er war hingerissen gewesen von der Art, wie sie den Blick abwandte, als sie bemerkte, dass er sie ansah, genau das Gegenteil von dem, was man von einem typischen Bargirl erwartet hätte. Sie war schlank, selbst für eine Khmer, aber er glaubte, genügend Kurven an den richtigen Stellen zu entdecken. Er scheuchte nach und nach ein halbes Dutzend anderer Mädchen weg, aber sie blieb da und warf ihm mit einer anziehenden Mischung aus Neugier und Schüchternheit Seitenblicke zu. Endlich war er aufgestanden und zu ihr gegangen.
    »Schätzchen«, meinte er lächelnd, »wenn du kein Englisch sprichst, wirst du mir das Herz brechen.«
    Sie hatte sein Lächeln erwidert, den Blick gesenkt und dann wieder die Augen zu ihm gehoben. Er hatte das Gefühl, dass er sie irgendwie nervös machte, und sein Interesse wuchs.
    »Ich glaube, dein Herz ist nicht in Gefahr«, erwiderte sie.
    Sie hatten sich noch lange Zeit an der Bar unterhalten. Sie erzählte ihm, dass sie an der Königlichen Universität Psychologie studierte. Er berichtete, dass er für eine amerikanische Immobiliengesellschaft arbeitete und in der Stadt sei, um die Aussichten einiger Joint Ventures abzuschätzen, die seine Firma in Erwägung zog. Es war eine dünne Geschichte, aber es musste ja nichtjede Legende wasserdicht sein, und er bezweifelte, dass diese einem Stresstest unterzogen werden würde. Er wusste nicht, ob sie ihm glaubte, aber eigentlich hatte sie keinen Grund, es nicht zu tun. Wie auch immer, sie fragte nicht weiter nach, und er erzählte ihr keine Lügen mehr.
    Er wusste nicht recht, was er von ihr halten sollte. Einerseits sprach sie gutes Englisch und er neigte dazu, ihr zu glauben, dass sie Studentin war – warum hätte sie diesbezüglich auch lügen sollen? Andererseits war das
Café Mist
nicht gerade der Ort, wo ein Mädchen alleine hingehen würde, wenn sie keine Professionelle war. Dafür schien sie es allerdings nicht eilig zu haben, ihn dazu zu überreden, mit ihr um die Häuser zu ziehen oder in sein Hotel zu gehen, wo sie ein bisschen Geld verdienen konnte. Er beschloss, sie als »Semiprofessionelle« einzustufen – offen für Angebote, aber nur vom richtigen Kunden.
    Als er sagte, dass er müde sei und fragte, ob sie mit ins
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